Wie ich Frauen stärke: Sechs Frauen stehen lächelnd vor einem Poster mit dem Logo: Erfolgskurs.

Wie ich Frauen stärke

03. September 2024

Was kann jede*r Einzelne von uns tun für mehr Chancengleichheit aller Geschlechter? Was tue ich dafür? Mit diesem Artikel antworte ich auf meinen eigenen Aufruf zur Blogparade „Was tust du, um Frauen zu stärken?“

Bei mir selbst begonnen

Wie ich Frauen stärke? Zunächst einmal habe ich bei mir selbst begonnen. Denn Selbstwirksamkeit ist eines der mächstigsten psychologischen Hebel, um sich in der Welt verbunden zu fühlen.

Mein wichtigster Grundsatz ist heute: Ich lasse es nicht mehr zu, respektlos behandelt zu werden! Weder in der Liebe, in Freundschaften, im Job oder der Freizeit. Diesen Grundsatz habe ich mir nach Jahrzehnten und mit viel Tränen nun rigoros zu eigen gemacht. Gewissen Dinge sind nicht mehr verhandelbar: ich lasse mich weder anschreien, noch beleidigen oder lächerlichmachen. Nehme ich etwas wahr, was mir nicht gefällt, spreche ich es an und kläre die Fronten.

Auseinandersetzungen gehe ich nicht mehr aus dem Weg. Im Gegensatz zu früher habe ich zwar keine Riesenvorfreude darauf, aber keine Angst mehr. Denn ich kann nur gewinnen, und wenn es die Erkenntnis ist, dass man mit einem Menschen oder Umfeld nicht zusammenkommt. Ich bin dabei höflich, klar und aufrichtig.

Ich setze Grenzen und sage meine Wünsche und Bedürfnisse. Egal ob beim Partner, bei Freundinnen oder bei der Ärztin. Ich habe mein Vorstellungen und spreche sie an. Gibt mir jemand anständig Auskunft oder informiert mich über seine Bedürfnisse, ist das richtig und in Ordnung. Aber fühle ich mich nicht ernst genommen, bin ich klipp und klar.

Eine solch klare Haltung hatte ich nicht immer. Lange wusste ich überhaupt nicht, wann ich wissen soll, wann etwas nicht in Ordnung ist. Viele Therapien und beschriebene Notizhefte später weiß ich: mein Gefühl hat immer Recht! Ich spüre in mich hinein, lasse mir auch Zeit, wenn ich mir noch nicht ganz sicher bin. Bleibt mein Unbehagen, finde ich heraus, was ich fühle und warum. Dann adressiere ich an denjenigen, durch den das Gefühl ausgelöst wurde.

Ich kenne meine wichtigsten Bedürfnisse, stehe zu mir und kenne meinen Wert. Möchtest du auch deine wichtigsten Bedürfnisse kennenlernen, kannst du sie hier herausfinden.

„Machen Sie doch ein Referat dazu!“

Als ich in meinem BWL-Studium einen Philosophiekurs besuchte, frage ich verwundert, warum wir fast ausschließlich Männer behandeln. „Machen Sie doch eine Präsentation zu Philosophinnen“ zog sich der Dozent geschickt aus der Affäre. Also kaufte ich mir ein zweibändiges Lexikon mit Philosophinnen, begann zu recherchieren und war doch sehr erstaunt, wie viele Frauen es auch in dieser Disziplin gegeben hat. Beispielsweise die spätantike griechische Philosophin, Mathematikerin und Astronomin Hypatia von Alexandria, deren enorme(r) Bildung und Einfluss hochgelobt wurden, aber einigen Männern offenbar Angst einjagten: sie wurde ermordet und ihre Leiche zerstückelt.

Oder die französische Schriftstellerin und Philosophin Christine de Pizan (Mittelalter), deren „Buch von der Stadt der Frauen“ als ein wegweisendes feministisches Werk Europas gilt. Für ihre Schriften dazu, dass Menschenrechte auch für Frauen gelten sollen, wurde die französische Schriftstellerin und Frauenrechtskämpferin Olympe de Gouges der Kopf abgeschlagen. Glücklicherweise kommt bei Philosophinnen der Neuzeit dann so richtig Fülle auf. Wobei auch hier wieder Frauen aus anderen Kontinenten oder anderer Hautfarben wieder hinten runterfallen. Dafür braucht frau nämlich den intersektionalen Feminismus, der auch die Diskriminierung innerhalb der Gruppe der Frauen in den Blick nimmt. So gab es beispielsweise die antike chinesische Denkerin Ban Zhao oder – für die Gegenwart – die nigerianische Philosophin Sophie Bosede Oluwole, die über Länder und Ausbildungen hinweg eine völlig neue Sichtweise auf Philosophien des afrikanischen Kontinents bewirkte. Übrigens: eines von den beiden Bänden steht seit vielen Jahren im Bücherregal meiner Tochter. Ich wüsste keinen besseren Ort dafür.

Wie ich als Mutter meine Umgebung stärke

Meine Tochter habe ich/haben wir frühzeitig in alle Richtungen gefördert, damit sie selbstbewusst ihr Leben in die Hand nehmen kann. Bis ich meine Kinder großbekommen habe, habe ich so einige Federn gelassen: Sie haben mich erschüttert: die vielen weinenden Frauen einer Mutter-Kur. Als ich vor vielen Jahren selbst als Mutter und Familienfrau das zweite Mal vollkommen erschöpft Erholung in Oberstdorf tankte, hatte es nur wenige Minuten eines Vortrages zur Rolle der Mutter gedauert, bis die ersten Tränen flossen. Bei mir, aber auch bei den meisten anderen. Zwar hatte ich nichts dramatisch Schlimmes zu verarbeiten wie den Tod des Partners oder gar eines Kindes. Dennoch fand und finde ich bis heute das Ausmaß der Erschöpfung von Müttern bestürzend. Und dies alles wird einem erst mit der Zeit bewusst.

Hier geht es darum, aufzuklären: Unsere Umgebung, Partner, Eltern, Nachbarn usw.  haben viel zu viele Erwartungen an uns als Mütter. Wir sollen die Kinder gesund, glücklich und sicher 18 Jahre jang aufziehen, dabei soll es stets gesittet zugehen, in Kindergarten und Schule dürfen Kinder nicht negativ auffallen. Bei der Kinderärztin wollen wir gute Werte sehen. Die jungen Menschen sollen sich entfalten können, neben Unmengen an Hausaufgaben Zeit zum Spielen haben. Kindergeburtstage sind zu gestalten, finanzieren und organisieren. Basare sind zu bestücken und selbstverständlich packen wir noch hier und dort – ehrenamtlich natürlich – mit an und machen nachts noch Fotobücher. Der Arbeitgeber wartet auch schon mit vorwurfsvollem Blick auf uns.

Und wir Mütter selber haben übermenschliche, völlig unrealistische Erwartungen an uns selbst. Erhellend ist dazu die drastisch in Szene gesetzte „Stellenbeschreibung“, die schon lange als Videoclip existiert und immer wieder geteilt wird.

Woher kommen diese enormen Erwartungen? Wie entstand dieses göttinnengleiche Mutterbild? Ein großer Teil der heutigen Erwartungen an die Mutter rührt noch aus der Zeit des Nationalsozialismus. Das hat sich größtenteils schon herumgesprochen. Mütter damals hatten vor allem Kanonenfutter für Führer, Volk und Vaterland zu liefern. Dafür sollten  sie sich aufopfern, dafür bekamen sie Orden verliehen. Auch wenn wir das heute nicht mehr so sehen, hat sich das tief in uns eingeschrieben. Denn auch nach 1945 war dieser ungesunde Mutterkult nicht weg. Denken wir an das veraltete Rollenbild vor allem im westlichen Teil Deutschland. Ein Heintje mit seinem Lied über die „Maaama“ nährte das rührselige Bild weiterhin. Es vermischt sich mit einer Form der heiligen Maria, die wir in Ferne vergöttern. Die über uns steht. Die sich aufopfert.

Schluss mit Opfern!

Genau dieses vermaledeite Aufopfern führt in die Irre. Hier darf man auch gut auf die Sprache achten: aufopfern geht nur mit „sich“. Man opfert SICH auf. Es geht also an die Substanz. Ein Mensch, der sich aufopfert, opfert sich selbst. Er gibt also mehr, als er bekommt. Ein Mensch, der sich aufopfert, gibt seine körperliche, seelische und geistige Kraft grenzenlos. Es ist ein Entgrenzen mit der Folge, dass frau sich auflöst. Zwar langsam, aber stetig. Die Folgen sind irgendwann sichtbar: Eine Mutter, eine Frau, ein Mensch, der nur gibt, aber nicht bekommt, ist nur noch ein Schatten seiner bzw. ihrer selbst. Wem nützt das?

Ist es für ein Kind erstrebenswert, wenn die Mutter irgendwann nur noch blutleer durch die Gegend schleicht? (Die Wechseljahre wollen auch bewältigt werden.) Wenn die Mutter eigene Träume begraben hat? SIch keine eigenen Ziele  aufbauen konnte? Ob das berufliche, persönliche oder Ziele aus dem Hobbybereich sind. Ich glaube nein. Kinder wollen auch die Augen ihrer Mutter leuchten sehen. Und zwar nicht nur, wenn die Kinder ihnen ein Bild malen oder eine gute Note aus der Schule mitbringen. Sie wollen, dass ihre Eltern etwas ganz Eigenes aufbauen aus ihrer Erwachsenenwelt.

Kinder wollen ein Beispiel dafür haben, wie sich ihre Mutter, ihr Vater etwas aufgebaut haben. Egal wie groß oder klein das erscheinen mag. Denn es geht vor allem um die Würde. Auch wenn eine alleinerziehende Frau leider aus Gründen der massiven Benachteiligung zu wenig verdient und davon sich und mehrere Kinder finanzieren muss und dabei unter schwierigen Bedingungen schafft, den Kindern ab und an ein Eis zu ermöglichen, die Wohnung zu halten. Die Familie zu erhalten, für die Kinder da zu sein, dann hat das mit Würde zu tun. Weil sie kämpft und vorlebt, dass sie es schafft.

Als Frau seinen Träumen folgen

Mir war es irgendwann wichtig, vorzuleben, dass ich meinen Träumen folge. Dass ich Ideen und Ziele im Kopf habe, die ich verfolge. Dass ich dafür Entscheidungen treffe. Damit ich geradlinig bin und weder mir noch anderen Menschen etwas vormache. Ich möchte ein ehrliches und aufrichtiges Leben führen. Und dazwischen mich ausruhen, Zeit für Muße haben. Dass ich einfach auf dem Sofa liegen und der Fliege an der Wand zuschauen kann. Dass ich mir dazu ein Buch nehmen oder es wieder gelangweilt weglegen, dass ich laut lachen, singen und schräg tanzen kann.

Ich bin immer noch leidenschaftliche Mama. Wenn mein erwachsenes Kind mich braucht, bin ich da. Denn ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man sich mit Anfang Zwanzig mit Problemen NICHT an seine Eltern wenden kann. Ganz selten kann ich vielleicht mal nicht. Auch das versteht meine Tochter. Denn heute erlebt sie eine Mutter, die glücklich ist, die lebt, liebt, singt und tanzt. Das ist einfach auch schön für sie und es kann ihr als Vorbild dafür dienen, dass auch sie glücklich sein darf. Dass auch sie eine Vorstellung davon hat, sich mit über 40, über 50, über 60 noch ein Leben zu gestalten, das zu ihr passt.

Ein unseliges Paar: rechtsextremes Gedankengut und Frauenverachtung

Neben meinen eigenen Erfahrungen war ein weiterer Antrieb, dass ich verstehen wollte, warum und wie rechtsextremes Gedankengut entsteht. Bei der Recherche dazu bin ich auf den enormen Anti-Feminismus und Frauenhass gestoßen, der stets mit Strömungen der extremen Rechten zusammengeht. Beziehungsweise ist es so, dass Frauenverachtung meistens als sogenannte Einstiegsdroge für rechtsextreme Gruppierungen dient. Eines der schlimmsten Beispiele der jüngeren Vergangenheit dafür ist der rechtsextreme, norwegische Terrorist Anders Breivik, der 2011 77 Menschen erschossen hatte. Wertvolle Zusammenhänge dazu beleuchten dazu dieser Artikel und dieser hier.

Antifeminismus und Klimawandel-Leugner*innen

Verstörend ist auch der Zusammenhang von Frauenverachtung und krampfhaftem Festhalten von Männern an fossilen Energieträgern. Gerne Hand in Hand gehend mit Klimawandel-Leugnern (Gendern nahezu unnötig). Dazu haben Politikwissenschaftlerin Cara Daggett und Psychologe Christian Stöcker interessante Bücher veröffentlicht. Jüngstes Beispiel war der sagenhaft rückwärtsgewandte Vorstoß von Finanzminister Christian Lindner und seiner FDP, nicht weniger, sondern mehr Platz für Autos in Innenstädten zu schaffen.

Was zunächst lediglich ärgerlich oder kurios erscheinen mag, wirft bei genauerer Betrachtung wirklich Fragen auf. Denn nicht nur lässt sie sich in Klimafragen von Steffen Hentrich beraten, der immer wieder mit damit auffällt, die Klima-Krise zu leugnen. Sondern es gibt auch einen Frank Schäffler, der noch 2023 den menschengemachten Klimawandel in Frage gestellt hat.

Der Bundestagsabgeordnete der FDP betreibt außerdem das „Freiheitsinstitut Prometheus gGmbh. Es wendet sich in Kampagnen zum Beispiel gegen Werbeeinschränkungen für Tabak und Alkohol und gegen den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk. Finanziert wurde es u.a. durch einen Tabakkonzern. Dieses Institut ist Teil des weltweiten Atlas-Network, das sich gegen Maßnahmen zum Schutz von Gesundheit und Umwelt einsetzt.

Ausgestattet mit einem Budget von 28 Millionen Dollar intransparenter Spender beeinflusst Atlas mit 500 Partnern in 100 Ländern Politik „auf nicht erkennbare Weise“, wie das unabhängige Lobbyismus-Lexikon Lobbypedia schreibt. Vor allem Männer in mittlerem Alter fahren auf Kohle, Öl und Gas ab und sehen ihre freie Fahrt bedroht. Deshalb sind junge Frau wie Greta Thunberg und Luisa Neubauer dreifaches Feindbild für diese Männer.

Antifeminismus bei Väterrechts- und Männerrechtsbewegungen

Die gleiche FDP mit ihrem Justizminister Marco Buschmann hat sich jahrelang beeinflussen lassen von Väterrechtsbewegungen, die teilweise offen massiv frauenverachtend agieren. Denn es geht diesen Vätern und Männern weniger um das ehrliche Engangement für Kinder als vielmehr darum, Frauen und Mütter vor Gericht kleinzukriegen, die sich gegen Partnerschaftsgewalt wehren.

So verwundert es weniger, dass Christian Lindner davon träumt, falls er einmal Vater werden und in Elternzeit gehen würde, dass er in dieser Zeit „…Bücher schreiben, vielleicht promovieren, jagen, fischen, imkern“ wolle. Mit so einer Aussage diskreditiert er die aufreibende und allumfassende Sorge-Arbeit von Millionen vor allem Frauen. Der Journalist Tobias Ginsburg recherchiert dazu seit vielen Jahren regelmäßig sowohl in rechtsextremen, faschistischen wie auch den Väter- und Männerrechtsbewegungen.

Die Väterrechtler haben sich jahrzehntelang auf Thesen des US-amerikanischen Psychiaters Richard A. Gardner berufen, nach denen Mütter ihre Kinder von den Vätern entfremden würden. Von einer Bindungsintoleranz gegenüber der Vater-Kind-Beziehung wurde hier gesprochen. Das hatte zur Folge, dass Frauen bei Sorgerechtsstreits von Familiengerichten nicht geglaubt wurde, wenn diese von Gewalt gegen sich und oder das Kind vom Täter gesprochen hatte. Diese strukturelle Gewalt, die der Staat hier gegenüber Frauen ausübt, hat die Familienanwältin immer wieder erlebt und in diesem aufrüttelnden Buch zusammengefasst. Diese Gewalt gegenüber Frauen, gerade auch alleinerziehenden Frauen, ist hier sehr gut dargestellt.

Die Väterrechtler mit ihren nachweislich frauenverachtenden Haltungen nahmen und nehmen enormen Einfluss auf Bundesjustizminister Marco Buschmann aus der FDP. Wohl deshalb auch ist zu erklären, warum sich der deutsche Justizminister dieser EU-Richtlinie gegen Gewalt an Frauen nicht anschließen will.

Die große Gruppe der Frauenhasser tummelt sich in der Gruppe der Incels genauso wie die extremen Abtreibungsgegner*innen, in Teilen erzkonservativer Katholiken wie in Teilen des Adels, in Männerrechts- und Väterrechtsbewegungen (deren Namen überhaupt nicht so harmlos sind, wie sie klingen) bis hin zu Gruppierungen, die offen Vergewaltigungsszenarien fantasieren.

Hass auf Frauen zerstört Familien, schädigt Gesellschaften, ist demokratiezersetzend. Frauenhass ist hochpolitisch, weil dessen Folgen in jede private Beziehung und jede gesellschaftliche Ebene hineinreichen. Nicht umsonst haben die Menschen der zweiten feministischen Welle in den 1970er Jahren diese Zusammenhänge im Slogan „Das Private ist politisch“ festgehalten. Deshalb passt dieser Slogan so gut zu dieser Blogparade. Nicht umsonst hat Großbritannien nun extremen Frauenhass als terroristisch eingestuft und will dagegen vorgehen.

Ich gendere, denn Sprache wirkt

Für mich ist es völlig unakzeptabel, wenn über 50 Prozent der Bevölkerung in der Sprache nicht vorkommen. Oder nur „mitgemeint“ werden. Früher haben die Männer auch für ihre Frauen „mitgewählt“ und wir finden es mit Recht skandalös. Deshalb habe ich bereits vor 30 Jahren als Studentin begonnen, in der Sprache die Frauen mitzunehmen, also zu gendern. Damals hat man dafür das Binnen-I genutzt. Doch viele gesellschaftliche Gruppen haben überlegt und probiert, auf welche Weise man auch beispielsweise nichtbinäre Menschen oder weitere Geschlechter mit ansprechen kann.

Im Laufe der Zeit sind so eine ganze Reihe von Formen entstanden. Deshalb findet man mal den Auslassungsstrich, mal den Doppelpunkt oder weitere Formen. Für mich als schreibende Person geht es immer auch um gute Lesbarkeit eines Textes. Er soll verständlich sein und gerne gelesen werden. Für manche Menschen scheint es eine Provokation zu sein, in Texten nicht mehr althergebrachte Bezeichnungen zu lesen, sondern mehr als nur das „generische Maskulinum“. Dahinter steht für mich die Frage, welchen Stellenwert für diese Person eine Gesellschaft hat, die so demokratisch und human mit jedem Menschen umgeht, wie nur möglich.

Denn Sprache und Denken hängen logischerweise unmittelbar zusammen. Wenn wir von Anwälten und Ärzten hören, entstehen Bilder in unserem Kopf, die unsere Wahrnehmung und unsere Einstellungen prägen. Je mehr es zu lesen und zu hören ist, dass es Ärztinnen, Hausmänner oder Erzieher, Kfz-Mechanikerinnen und Ingenieurinnen, Geburtshelfer und Pilotinnen gibt, umso eher dringt die Normalität dieser Begriffe in unser Denken ein. Das hat zum Beispiel konkrete Folgen für die Berufswünsche von Kindern. Bei einer geschlechterneutralen Sprache konnten sich Kinder jeden Geschlechts auch Berufe aus dem MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) für sich vorstellen.

Damit aber auch Menschen Sehbehinderungen barrierefrei Zugang zu Texten bekommen, müssen Texte so formuliert sein, dass sie von Screenreadern gelesen werden können. Deshalb empfiehlt der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV), den Genderstern zu benutzen. Aus diesem Grund bemühe ich mich darum, Vielfalt auf diese Weise in meinen Texten auszudrücken.

Sisterhood stärkt uns alle

Gelästert habe ich schon immer wenig. Ich fand es schon immer unschön. Vor einiger Zeit habe ich es noch einmal getan und schäme mich im Nachhinein dafür. Denn wer weiß, welche Gründe die von mir so unsolidarisch bewertete Frau für ihr Handeln hat. Ich selbst habe als Kind und junge Frau ziemlich unter Lästereien gelitten. Kommt man in den Raum zurück, den man vor zehn Minuten verlassen hat und die Gespräche verstummen oder vielsagende Blicke werden zugeworfen, fühlt sich das ziemlich scheußlich an. Man fühlt sich ausgeschlossen und das zieht herunter. Es lässt einen nicht stärker werden, sondern untergräbt das Selbstbewusstsein.

Daran möchte ich mich nicht beteiligen. Ich möchte Menschen bestärken und nicht schwächen. Und vor allem Frauen haben wegen ihrer Sozialisation oft mehr Probleme mit ihrem Selbstbewusstsein als Männer.

Genau deshalb finde ich schwesterliche Solidarität so ungeheuer wichtig. Sehr gerne lobe ich andere Frauen für ihr Tun und Sein. Ich liebe es, Menschen Komplimente zu machen. Ich finde es ein schönes Gefühl, zu bestärken, was Frauen schon in sich haben. Oft haben sie schon so viel erlebt, geleistet und geschafft! Das ist doch bewundernswert! Und das sage ich ihnen auch. Denn auch mir hat es sehr geholfen, von andern Frauen Bestärkung zu erfahren.

Was eigentlich schon selbstverständlich sein dürfte: Körperformen anderer Frauen, Menschen generell, kommentiere ich nicht, Auch dank meiner Tochter habe ich hier dazugelernt. Es ist auch eine Sache der Übung der eigenen Wahrnehmung. Viele verschiedene Körperformen können schön sein. Abgesehen davon müssen sie das auch nicht. In jedem Fall geht es mich nichts an, wie sich eine andere Frau anzieht, schminkt oder gibt.

Im Umfeld

Ob in Zeitungen, Filmen oder Podcasts, noch immer sehen und hören wir hier überproportional von Männern. Wir hören von Erfindungen und Entdeckungen von EInstein, hören Musik von Mozart, Bach und Beethoven, sprechen in der Kunst zu oft von Picasso und Rembrandt, in der Dichtung von Goethe und Brecht.

Ehrlich, ich bin es leid! Schon lange suche ich bewusst nach Frauen in Wissenschaft, Kunst und Politik. Wenn ich Filme anschaue, Bücher lese und Ausstellungen besuche, achte ich inzwischen sehr darauf, verstärkt Werke von Frauen zu konsumieren. Nicht nur, um sie zu stärken, sondern auch mit mit ihren Erfahrungen und Weltsichten anzureichern.

In Gesprächen frage ich auch Männer, wie sie Beruf, Familie und Haushalt unter einen Hut bekommen. Lästern vermeide ich, Körper kommentiere ich nicht (mehr). Hier habe ich von meiner Tochter gelernt (ich bin ja auch immer noch auf dem Weg). Anderen Frauen, die sich über etwas freuen, gönne ich ihre Erfolge von Herzen und freue mich mit ihnen.

Meine Kurse richten sich vor allem an Frauen

Ganz konkret habe ich mein Angebot an Schreibkursen auf Frauen ausgerichtet. Auch das war ein längerer Prozess. Aber ich habe gemerkt, wie ungeheuer wichtig es mir ist, dass Frauen selbstbewusster, fröhlicher und mehr mit sich im Reinen durchs Leben gehen. Denn ich selbst habe einen langen Weg hinter mir, in dem ich meine Prägungen übergroßer Bescheidenheit hinter mir gelassen habe. Es hat mich so manchen Preis gekostet. Aber ohne diese Erfahrungen wäre ich wohl nicht die, die ich heute bin.

Und ich möchte, dass auch andere Frauen ihren Wert erkennen, dass sie strahlen, dass sie mit sich ins Reine kommen und selbstbewusst ihre Ansichten, Bedürfnisse und Grenzen artikulieren können. Dafür habe ich in meinem ersten Kurs bewusst nicht nur Bestandteile, die Frauenlebensläufe in den Blick nimmt. Sondern ich habe die literarisch-künstlerischen Anregungen, die Textbeispiele usw. ausschließlich von Frauen eingebaut. Dadurch ist mir so bewusst geworden, wie sehr wir alle noch mit den fast ausschließlich männlichen Namen in der Schule großgeworden sind.

Was ich im Alltag tue

Auf dem Bahnsteig sitzt eine junge Frau und weint herzzereißend. Sie hält die Hände vors Gesicht. Als sie sie kurz wegnimmt und versucht, sich zu sammeln sehe ich, dass ihr ganzes Gesicht nass ist von Tränen. Viele Menschen stehen drum herum, niemand reagiert. Ich bin am Hauptbahnhof in Wien und von meinem biografisches-Schreiben-Kurs auf der Heimfahrt zurück nach Nürnberg. Ich empfinde einfach Mitgefühl mit dieser jungen Frau. Egal, ob gerade eine Liebe kaputtgegangen, sie eine Aufnahmeprüfung für die Uni versemmelt oder einen Menschen durch Tod verloren hat. Natürlich wird sie das auch überstehen, aber ich habe mich zu ihr heruntergehockt, ihr eine Packung Taschentücher gereicht und sie vorsichtig an der Schulter berührt. Ich wollte ihr signalisieren, dass ich ihren Schmerz sehe, etwas mitfühle und ihr ein Stück Wärme mitgeben.

Eine Frau mittleren Alters fragt sich in der U-Bahn mit höflicher Ansprache der Mitfahrenden durch, um ein wenig Kleingeld zu bekommen. Ihr Gesicht verrät, dass sie ein schweres Leben lebt. Ich gebe ihr ein Zwei-Euro-Stück mit einem achtsam-vorsichtigem Lächeln. Wie leicht kann jede/r von uns in soziale Notlagen geraten! Mir ist wichtig, dieser Frau Achtung entgegenzubringen. Und ja ich weiß, dass es auch Betrüger*innen gibt. Aber in einem Artikel, der sich damit beschäftigt hat, ob man etwas geben soll oder nicht, habe ich gelesen, dass man selten etwas verkehrt macht, wenn man etwas gibt. So man kann. Mich macht es nicht ärmer, wenn ich ab und an etwas Geld an die Menschen weitergebe, die es so nötig brauchen. Frauen haben es auch gerade auch bei großen sozialen Schwierigkeiten umso schwerer.

Das sind nur zwei von Alltagssituationen, die ich erlebe und wo es mir wichtig ist, kleine Zeichen zu setzen. Sie mögen unbedeutend sein und damit verändere ich nicht die Welt. Aber für einen kurzen Moment kann ich im Leben dieser Frauen einen Unterschied machen. Und vielleicht kann ich durch mein Handeln bei den Umstehenden als Positivbeispiel wirken.

Solche Alltagsituationen gibt es ständig: ich mache selbstverständlich einer Mutter mit Kinderwagen und/oder Kindern mehr Platz (auch Vätern mit Kindern mache ich gerne mal die Tür auf) als dass ich einem Mann ausweichen würde. Wenn ein kleines Kind weint oder quengelt und es ergibt sich ein Blickkontakt mit der Mutter, lächele ich ihr verständnisvoll zu. Wird es im Supermarkt eng und eine Frau steht vor der Ware, zu der ich hin möchte, sagen diese Frauen oft, dass sie im Weg stünden. Ich sage ihnen dann, dass sie ja auch ihren Platz zum Leben brauchen. Natürlich gehen wir rücksichtsvoll miteinander um, wenn ich an die Ware möchte und jemand davor steht. Aber es fällt mir auf, dass vor allem ältere Frauen sich oft „im Weg stehend“ empfinden. Als dürften sie keinen Raum einnehmen, als müssten sie eher sie anderen aus dem Weg gehen als umgekehrt. Und das stört mich.

Klare Ansage gegenüber einem Mann: neulich – auch in Wien – verlasse ich den U-Bahn-Aufgang auf der rechten Seite, wie es sich gehört. Ich bin noch dazu erkennbar mit Koffer und schwerem Rucksack unterwegs. Da kommt mir auf meiner Seite ein Mann – etwa um die 40 – entgegen. Ich bleibe kurz stehen, schaue ich an und. Doch er macht noch immer keine Anstalten, seinerseits mir auszuweichen. Also mache ich eine klare Ansage: „Ja was ist jetzt?!“ Denn ich werde nicht weichen. Er schüttelt den Kopf und scheint die ganze Situation nicht zu begreifen. Oder begreifen zu wollen. Erst als ich einfach weiter stehenbleibe und ihn anfunkele, überwindet er sich mühsam, geht nach rechts und ich kann meinen Weg fortsetzen. Es kann nicht sein, dass ich als Frau einem Mann ausweiche, noch dazu wenn ich auf der richtigen Seite gehe und mit Koffern bepackt bin. Wenn es ein alter Mann gewesen wäre oder ein in anderer Weise in Schwierigkeiten steckender Mann, habe ich überhaupt kein Problem damit, dass ich ausweiche. Aber ohne dem: Nein!

Und so gibt es immer wieder kleinere oder größere Gelegenheiten, sich selbst als Frau den notwendigen Platz zu nehmen, für sich einzustehen, Grenzen zu setzen und diese anderen zu zeigen. Aber auch, andere Frauen zu bestärken, mit ihnen solidarisch zu sein, sie zu unterstützen.

Das etwa 12.000 Jahre währende Patriarchat (es gab mal ein Davor !) werden wir nicht in wenigen Jahrzehnten überwinden. Dafür brauchen wir einen langen Atem. Aber je mehr wir dabei mitmachen, umso schneller gehts.

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