Ein abfahrender Zug symbolisiert Abschied und Neuanfang im Leben.

Abschied und Neuanfang: So meisterst du den Übergang

02. März 2025

Trennungen, Umzüge, neuer Job: Abschiede und Neuanfänge gehören zu jedem Leben dazu. Da wir heute länger leben als früher und unsere Biografien komplexer geworden sind, haben wir aber mehr Übergänge zu bewältigen. Dafür benötigen wir biografische Kompetenz. Denn gut überwundene Lebenskrisen lassen uns nachweislich besonders reifen. Was genau passiert in Wendepunkten mit uns? Welche Herausforderungen stellen sich für Frauen dabei? Entscheidend für ein gelingendes (neues) Leben sind u.a. eine gute Reflexion des Vergangenen, Neugier und kluger Optimismus. Was wir dabei beachten sollten, das liest du in diesem Artikel.

Was passiert, wenn wir Abschied nehmen und neu anfangen?

 

Kein Bett, kein Regal, kein Kühlschrank. Nur ein uralter Camping-Klapptisch und zwei ebensolche Stühle.  Ich trete auf den kleinen Balkon meiner neuen Wohnung und blicke auf den kleinen Berg in der Ferne. Das war vor etlichen Jahren, als ich ein neues Kapitel aufgeschlagen hatte. Mein altes Leben lag hinter mir. Das neue musste ich für mich definieren.

 

Wendepunkte: alles ist anders

In Drehbüchern und generell im Storytelling gibt es den „point of no return“: Der Zeitpunkt, an dem nichts mehr so ist im Leben der Hauptfigur wie vorher. Abschiede und Neuanfänge sind Wendepunkte in unserem Leben.

Die Ethnologen Arnold van Gennep und Victor Turner haben Übergangsriten vieler Kulturen untersucht und dafür den Begriff Liminalität geprägt. Mit ihm bezeichnen sie die Übergangs- oder Schwellenphase zwischen der Trennungs- und der Angliederungsphase. Wir durchleben eine Übergangszeit, in der das Alte endet, aber das Neue noch nicht feststeht. Wir stehen also sinnbildlich wie bestellt und nicht abgeholt am Bahnhof unserer Geschichte.

Andere Begriffe dazu sind auch Krise, Wachstums-Krise, Lebenskrise, Wachstums-Schmerz, Midlife-Crisis. In jedem Fall verändern sich unser Selbstbild, unsere Selbstwahrnehmung, unsere Identität.

 

Arten von Lebensübergängen

Manche Lebensübergänge geschehen freiwillig, wenn wir zum Beispiel selbst der Chefin den Dienst quittieren, dem Partner schweren Herzens die Trennung verkünden oder umziehen wollen. Andere passieren uns, ungeplant und ungewollt. Wenn ein langjähriger Freund bei einem Motorradunfall verstirbt oder uns die Diagnose Brustkrebs überrollt, sind das Ereignisse, die über uns hereinbrechen.

Biografisch typische Übergänge sind der Eintritt in die Schule, die Pubertät, der Beginn der Berufsausbildung/Studium etc. Auch der regelmäßige Wechsel der Jahreszeiten sind Übergänge, die wir gewohnt sind. Je ungewohnter, ungewollter der Übergang ist, umso mehr fällt eine alte Regelmäßigkeit in unserem Leben weg. Bisherige Tagesstrukturen und Abläufe sind nicht mehr da. Neue aber auch noch nicht. „Wir fühlen uns in unserem eigenen Leben nicht mehr zu Hause“, beschreibt es Claudia Täubner in ihrer empfehlenswerten Folge Lebensübergänge in ihrem Podcast Dein neues Ich.

  1. gewollte (eigene Kündigung, Trennung, Umzug etc.) versus ungewollte (man wird gekündigt, der andere trennt sich von uns, Krankheit, Unfall, Todesfall in der Familie etc.)
  2. normative (entsprechend unseres Lebensalters Übergänge wie Schuleintritt, Volljährigkeit, Pubertät, Wechseljahre, Renteneintritt usw.) versus nichtnormative (individuelle Übergänge, egal ob gewollt oder nicht gewollt wie Jobwechsel, Trennungen, Unfall)
  3. vertikale (entsprechend der zeitlichen Abfolge nacheinander wie Schuleintritt, Berufseintritt, Rente) versus horizontale (mehrere Übergänge, die gleichzeitig in einer Lebensphase stattfinden wie Wechseljahre, Auszug der Kinder, Tod der Eltern in den mittleren Jahren)

Eine weitere Aufstellung findet sich u.a. hier.

 

Trauerphasen

Bei so manchen Abschieden gibt es etwas, was wir zu betrauern haben: den Verlust eines Menschen, eine zu Ende gegangene Liebe oder Freundschaft, der Abschied von einem gesunden Lebensabschnitt, ein geplatzter Traum… Wir beginnen einen Trauerprozess. Zu wissen, in welchen Phasen dieser verläuft, kann uns helfen, besser zu verstehen, was gerade mit uns passiert. :

  1. Nicht-Wahr-Haben-Wollen bzw. Verweigerung (als Selbstschutz Verleugnen, Ignorieren, Gefühlslosigkeit)
  2. Aufbrechende Emotionen (Wut, Zorn, Vorwürfe, Angst, Rastlosigkeit, Verlassenheitsgefühl usw.)
  3. Verhandeln (mit einem Gott, dem Schicksal), Suchen, Wiederfinden und Sich-Trennen
  4. Depression (man hat die Unwiederbringlichkeit erkannt, Gefühl der Machtlosigkeit)
  5. Annahme, neuer Selbst- und Weltbezug

 

In meiner neuen Wohnung damals habe ich von Null angefangen. Ich besorgte mir erst einmal einen Kühlschrank und eine Waschmaschine. Meine wenigen Klamotten sortierte ich in quergestellte Umzugskartons, eine Freundin lieh mir einen hübschen Stuhl nebst Kerzenständer. Ich lernte, Möbel zusammenzubauen und mit der Bohrmaschine umzugehen. Bei dem einen oder anderen Möbelstück hatte ich Hilfe von lieben Freundinnen, das meiste habe ich allein bewältigt.

 

Merke: Abschiede und Neuanfänge sind Übergangsphasen in unserem Leben, die uns viel abverlangen. Je nach Anlass gibt es freiwillige bzw. normative Übergänge, aber auch nichtnormative. Besonders in der Lebensmitte erleben wir mehrere Übergänge gleichzeitig. Abschied und Trauer verlaufen in mehreren Phasen. Wir müssen das Vergangene verarbeiten, unser aktuelles Leben neu aufstellen und viele Entscheidungen treffen.

Wie uns Lebensübergänge prägen

 

Aber ich lernte noch viel mehr: Ich lernte mit 50 Jahren endlich, allein zu leben. Das hatte ich mir so ausgesucht, musste aber mit Leben gefüllt werden. Ich saß eines Abends auf meinem Sofa, das ich inzwischen hatte. Bewusst habe ich keinen Fernseher, kein Radio angemacht, kein Buch gelesen. Sondern nur dagesessen, hineingespürt, was ich genau fühle und welches Wort dazu passt. Und mein Gefühl der inneren Leere gefühlt. Ganz bewusst. Irgendwann kamen die Tränen. Am nächsten Morgen fühlte ich mich viel besser.

 

Lebensübergänge sind Knotenpunkte unserer Biografie

In Lebensübergängen müssen wir Anpassungsleistungen vollbringen. Wir verändern uns, die eine mehr, der andere weniger aktiv. Entwicklungspsychologin Pasqualina Perrig-Chiello sagt: „Lebensübergänge sind Treiber der Identitätsentwicklung“.¹ Die emeritierte Professorin für Psychologie an der Universität Bern ist eine der wenigen, die die Psychologie der Lebensübergänge wissenschaftlich erforscht hat. Besonders die ab dem mittleren Lebensalter.

Lebensübergänge stellen oft eine Krise für uns dar. Sie halten besondere Aufgaben für uns bereit, an denen wir gefordert sind, unsere Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Abschiede und Neuanfänge sind also DIE Knotenpunkte unserer Biografien. Wir müssen bedeutsame Entscheidungen darüber treffen, wie wir weitermachen wollen.

Überall da, wo über das eigene Leben reflektiert wird, ob bei der Psychotherapeutin, in einer Burnout-Klinik, bei der Arbeit mit Seniorinnen und Senioren usw., wird mit der Lebenslinie gearbeitet. In ihr wird das Leben von Beginn bis zum aktuellen Zeitpunkt visualisiert und alle wesentlichen Abschiede und Neuanfänge eingetragen. Weil hier Entscheidungen getroffen wurden und sich daran genauer zeigt, wer man ist. Aus welchen Motiven hat man gehandelt, welche Werte und Bedürfnisse waren zu dieser Zeit wichtig für die Person?

 

Anhand welcher Kriterien entscheiden wir?

Woran aber soll man sich orientieren für das neue Leben? Welche Motive und Werte leiten uns? Welche Bedürfnisse haben wir? Innerhalb kurzer Zeit müssen wir Dinge verarbeiten, Antworten in uns auf die herausfordernde Situation finden und neue Ziele setzen. Deshalb greifen diese Zeiten besonders stark in unsere Persönlichkeit ein.

 

Veränderung in uns und in der sozialen Rolle

Dabei verändern wir uns innerlich. Aber auch unsere Rollen nach außen, in der Gesellschaft, verändern sich. Man ist nicht mehr die angestellte Kollegin in Abteilung X, sondern eine Zeitlang arbeitslos oder wird selbstständige Unternehmerin oder Mutter. Verstirbt ein Elternteil, ist man nicht mehr (aktive/r) Tochter oder Sohn, nun steht man an vorderster Stelle der Generationenrangfolge. Auch dieser Rollenwechsel soll vollzogen werden. Man hat teilweise einen anderen sozialen Status; die Erwartungen von außen sind andere.

 

Neue Ärzte, neue Website, neue Steuerklasse

Auch ganz praktisch haben wir bei Umzügen, Trennungen, neuen Jobs usw. eine Menge zu erledigen: wir müssen uns bei Ämtern und Behörden ab-, an- oder ummelden, Unterlagen besorgen, Anträge stellen. Wir brauchen bei einem Wohnortwechsel neue Ärztinnen, einen neuen Klempner oder die Info darüber, wo man Sondermüll entsorgt. Den neuen Lieblings-Supermarkt und die verständnisvolle Frisörin. Wir finden uns in einer neuen Steuerklasse wieder.

Auch Versicherungen müssen angepasst oder unsere digitale Identität verändert werden. Bei vielen muss alle paar Jahre eine Website einer Generalüberholung unterzogen werden. Viel häufiger als die Generationen vor uns bauen wir unser aktuelles Leben ab und an anderer Stelle wieder neu auf; entweder ganz real durch Umzüge oder auf amtlicher, behördlicher Ebene.

 

Heutige Biografien vielfach komplexer

Durch unsere westliche Lebensweise haben wir mehr Freiheit und mehr Möglichkeiten, unser Leben zu gestalten. Somit haben wir auch die „Normalbiografie“ früherer Zeiten nicht mehr. Mehr Freiheit bedeutet aber auch mehr Verantwortung. Mehr Möglichkeiten geben uns die „Qual der Wahl“. Dr. Hubert Klingenberger, einer der wichtigsten Vertreter der Biografiearbeit im deutschsprachigen Raum, weist darauf hin, dass wir Menschen deshalb heute viel mehr Lebenswenden zu bewältigen haben, für die wir zusätzlich noch kaum Vorbilder haben.²

Dazu kommt, dass wir heute eine viel längere Lebenserwartung haben. Die durchschnittliche Lebenserwartung um 1900 lag in Deutschland bei 47 Jahren, hat sich also inzwischen fast verdoppelt. Zusätzlich (glücklicherweise) in deutlich besserer Gesundheit als frühere Generationen.

Wegen all dieser Faktoren spricht Hubert Klingenberger davon, dass wir eine größere biografische Kompetenz für uns benötigen. Wir sind also die Architektinnen unseres Lebenshauses. Unsere Leben sind unberechenbarer, unsicherer, komplexer und widersprüchlicher geworden.

 

Zwischen Angst, Überforderung und Neugier

Diese Übergangszeit bei Lebensübergängen, zwischen „nicht mehr“ und „noch nicht“, macht uns verständlicherweise Angst oder erzeugt mindestens Gefühle großer Unsicherheit, Zweifel oder Spannung. Wie auf einer langen Brücke haben wir das bekannte Terrain verlassen, unter uns ein kaltes, tiefes Wasser und das gegenüberliegende Ufer weitestgehend unbekannt.

„Die Identität muss erst noch an die neuen Umstände angepasst werden. Aufgrund äußerer oder innerer Anforderungen – gewollte oder ungewollte – müssen oder dürfen wir unsere Identität während unseres gesamten Lebens immer wieder neu definieren.“ So formuliert es Pasqualina Perrig-Chiello. „An Grenzen zu stoßen, tut weh, aber aktiviert all das, was in uns steckt.“

 

Abschied und Neuanfang

Unsere komplexeren Lebensläufe führen zu mehr Umbrüchen. Deshalb benötigen wir eine gute biografische Kompetenz.

 

Positive Folgen durchlebter Krisen

Dennoch haben Forschende festgestellt, dass die meisten Menschen Krisen nicht nur gut überstehen, sondern wir danach deutlich an Persönlichkeit, Charakter und Widerstandskraft gewinnen. Das hilft uns wiederum beim nächsten, unausweichlich bevorstehenden Lebensübergang.

Wenn wir Krisen gut verarbeiten, sehr bewusst und hoffnungsvoll, könne das laut der amerikanischen Psychologen Richard Tedeschi und Lawrence Calhoun folgende positive Wirkung auf uns haben:

  • größere Wertschätzung des Lebens
  • Intensivere menschliche Beziehungen
  • Eigene Stärken werden bewusst
  • Man entdeckt neue Möglichkeiten für die eigene Lebensgestaltung
  • Größeres spirituelles Bewusstsein
  • Mehr Mitgefühl und Empathie für andere
  • Höhere Widerstandskraft für neue Schicksalsschläge³

 

Merke:
Lebensübergänge lassen uns besonders reifen. Die Normalbiografie von früher gibt es nicht mehr: Wir leben länger und unsere Biografien sind komplexer geworden. Deshalb haben wir mehr und häufigere Lebensübergänge zu bewältigen als Generationen vor uns. Dafür benötigen wir mehr biografische Kompetenz. Verarbeiten wir die Krise bewusst und mit Hoffnung, hat das zahlreiche positive Wirkungen für uns. Im Ergebnis entwickeln wir eine stärkere Persönlichkeit.

Wie Frauen Neuanfänge erleben

 

Frauenlebensläufe, konkret Themen der Lebensmitte, haben bis in die 1980er Jahre (!) in philosophischen und wissenschaftlichen Texten kaum interessiert, so die Entwicklungspsychologin Perrig-Chiello.  Denn die Rolle der Frauen war gesellschaftlich überwiegend festgelegt darauf, sich Kindern und Familie zu widmen, für andere da zu sein.

Lebensübergängen sind für alle Menschen herausfordernd. Frauen bzw. FLINTA haben allerdings aufgrund von biologischen und sozial/kulturellen Unterschieden andere Aufgaben zu bewältigen als Männer.

 

Gesundheit: Frauen leben im Durchschnitt länger als Männer, aber bei schlechterer Gesundheit, vor allem im späteren Alter. Viele Frauen sind von schmerzhaften Menstruationen oder der Endometriose geplagt. Schwangerschaften und Entbindungen kosten Kraft und Zeit und hinterlassen bisweilen gesundheitliche Folgen.

 

Wechseljahre: Die Wechseljahre sind nicht zu unterschätzen: die langen Jahre vor, während und nach dem Klimakterium halten aufgrund der hormonellen Schwankungen viele Symptome wie Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Müdigkeit, Erschöpfung oder Gliederschmerzen bereit. Die Wechseljahre kommen also zu den weiteren Umbrüchen der mittleren Jahre noch dazu: teilweise gleichzeitig erleben wir Trennungen, Kinder, die aus dem Haus gehen, Eltern, die pflegebedürftig werden oder versterben, Krankheiten oder berufliche Neuorientierungen usw. Deswegen sollten wir in dieser Zeit besonders liebevoll mit uns selbst als Frauen umgehen.

 

Soziale Rollen und Erwartungen: Das etwa seit 10.000 bestehende Patriarchat hat uns alle geprägt. Frauen lernen schon als kleine Kinder, mehr an andere als an sich zu denken. Frauen leisten pro Woche mindestens neun Stunden mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer und erhalten knapp 18 Prozent weniger Gehalt für gleiche Arbeit als Männer.

Um die Care-Arbeit leisten zu können, sind sie öfter in Teilzeit berufstätig. Alleinerziehende sind zu 83 Prozent Frauen. Diese Rollenverteilung führt also oft zu weniger Einkommen und Karrierechancen. Die finanzielle Abhängigkeit von Frauen führt zu einem Machtgefälle innerhalb von Partnerschaften und erschwert eigenständige Lebensentwürfe von Frauen.

Zum Dank für die höhere Arbeitsbelastung von Frauen erhalten sie um gut 27 Prozent weniger Rente als Männer. 5 Frauen erhalten auch geringere Erbschaften, haben weltweit 50 Prozent weniger Vermögen als Männer und noch nicht einmal 20 Prozent des Landbesitzes weltweit ist in Frauenhand.

 

Psychosoziale Belastungen: Frauen sind häufiger von bestimmten psychischen Belastungen betroffen, insbesondere im Zusammenhang mit traumatischen Erfahrungen. Dies kann ihre Fähigkeit beeinflussen, Lebensübergänge zu bewältigen. Auch die „Sandwich-Position“ zwischen Kümmern um Teenager-Kinder und Kümmern um pflegebedürftige Eltern ist für viele Frauen eine äußerst belastende Situation. So zieht und zerrt „jeder“ an einer Frau, die in mittleren Jahren sowieso schon die Wechseljahre zu bewältigen hat und auch beruflich stark gefordert ist.

 

Das Äußere: Nicht nur durch Prägungen aus der Vergangenheit, sondern auch, weil wir in Filmen und Medien noch immer zu wenig respektvollen Umgang mit älteren Frauen erleben, spielt das Äußere für Frauen noch immer eine größere Rolle als für Männer. Die körperlichen und optischen Veränderungen müssen verdaut und angenommen werden. Das kann für manche Frauen eine echte psychische Belastung werden. Wenn der Abschied von Jugendlichkeit nicht genügend akzeptiert werden kann, folgt möglicherweise eine Depression.

 

Merke:

Frauenlebensläufe sind geprägt von mehr (Care)-Arbeit, mehr gesundheitlichen Belastungen und zugleich weniger Zeit und finanziellen Ressourcen als Männer für ihre ureigenen Interessen in Beruf, Ehrenamt oder Freizeit. Die äußeren Veränderungen sowie Wechseljahre und Sandwich-Position in der Familie sind weitere Belastungen, die Frauen bewältigen müssen. Diese Dinge sollten Frauen im Hinterkopf haben, damit sie informiert und achtsam mit sich gerade auch in Umbrüchen umgehen.

So gelingt dein Neuanfang leichter

 

Laut Forschung dauert es etwa zwei Jahre, bis Menschen nach Umbrüchen wieder ihr ursprüngliches Niveau des Wohlbefindens erreicht haben, so es vorher gut war. 4 Manchmal geht es einem ja nach einem Neuanfang besser als vorher. Mit folgenden Haltungen packt man die Sache klüger an.

 

Geduld und Zeit

Ein Neuanfang im Leben ist komplex. Wir haben erleben viele verschiedene Gefühle und Gedanken auf einmal und eine ganze Menge zu regeln. Das Zauberwort für diese Zeit ist: Radikale Akzeptanz!!  Auch wenn es schwer ist, nimm deine neue Situation rückhaltlos an, wie sie ist. Sei darüber hinaus geduldig mit dir. Lass dir Zeit, wenn manches länger dauert als du zuerst gedacht und geplant hast. Zum guten Bewältigen einer Lebenswende gehört laut Perrig-Chiello auch, Widerstände, die du spürst, nicht zu bekämpfen, sondern verstehen zu wollen.

 

Identität ist das ganze Leben wandelbar

Noch vor vielen Jahrzehnten ist man davon ausgegangen, dass Persönlichkeit und Identität ab dem frühen Erwachsenenalter feststehen. Heute weiß man, dass Identität sich über die gesamte Lebenszeit ändern kann. Man kann sich deutlich weiterentwickeln, wenn man offen und neugierig bleibt. Sieh dich auf einem Weg der Entwicklung. Der kann auch mal abwärts oder seitwärts verlaufen. Die Forschung weiß heute, dass wir neben Genen und unserer Umgebung unser Leben zu 50 Prozent selbst beeinflussen können.

 

„Ich bin nicht das, was mir passiert ist. Ich bin das, was ich entscheide zu werden.“

 

Carlota Pérez

 

Zufriedenheitskurve beachten

Forschende haben herausgefunden, dass die Zufriedenheit im Leben von Menschen in einer U-Form verläuft; über viele Zeiten und Kulturen hinweg. In der Lebensmitte haben wir also – wegen hormoneller Umstellung, besonders vieler Umbrüche gleichzeitig usw. – die geringste Lebenszufriedenheit. Sie steigt spätestens um das 60. Lebensjahr wieder an. Mit diesem Wissen kannst du mögliche Krisen in deiner Lebensmitte vielleicht entspannter sehen.

 

Diagramm mit der U-Kurve der Lebenszufriedenheit

Quelle: Sat 1-Frühstücksfernsehen: Diagramm der Lebenszufriedenheit

 

 

Wachstumsorientierte Einstellung führt weiter

Carol Dweck lehrt und forscht als Psychologin an der Stanford Universität in Kalifornien zu Motivation, Lernen und Entwicklung. Sie stellte fest, welche grundsätzliche Haltung Menschen auszeichnet, die großartige Dinge geschafft haben. Menschen, die überzeugt davon sind, ihre Fähigkeiten mit Lernen und Anstrengung ausbauen zu können, hätten ein wachstumsorientiertes Denken (Growth Mindset).  Menschen mit einer eher starren Sicht auf ihre Entwicklung halten jedoch ihr Wissen und ihre Fähigkeiten für nicht veränderbar, hätten also ein Fixed Mindset. Menschen mit einer wachstumsorientierten Sicht auf ihr Leben haben mehr Erfolg, lernen leichter, sind motivierter und sind widerstandsfähiger, hat Carol Dweck herausgefunden.

 

Leben als Aufstiegsgeschichte erzählen

Dazu passt, was die Narrative Psychologie herausgefunden hat: es macht einen Unterschied, ob wir uns unser Leben als Abstiegs- oder Aufstiegsgeschichte erzählen. Wenn wir uns unser Leben trotz vieler Aufs und Abs als Aufstiegsgeschichte erzählen können, schaffen wir uns ein starkes Fundament und gute Ressourcen, um unser Leben als stimmig (kohärent) und sinnvoll zu erleben. Und darauf aufbauend neue Lebensziele zu finden, die zu unserem Woher passen.

 

Diese Charaktereigenschaften machen glücklich

Wie die Forschung der Positiven Psychologie herausgefunden hat, gibt es ein paar Charaktereigenschaften, die am besten zu einem glücklichen Leben beitragen.

Dankbarkeit:  Sie ist eine gute Basis. Schau, was an deinem Leben alles gut ist, was am vergangenen Tag gut gelaufen ist, besonders schön und bereichernd war.

Bindungsfähigkeit: Über fast alle Kulturen hinweg erleben Menschen die sozialen Bindungen als das Wichtigste ihres Lebens. Sorge dich um die Qualität deiner Beziehungen.

Tatendrang: Wenn wir etwas tun, erleben wir uns als selbstwirksam und handlungsfähig. Wir bewirken etwas und können einen Unterschied machen. Und wir schaffen Ziele.

Humor: Mit ihm geht manches leichter und wir erleben Freude. Außerdem bereichern wir das Zusammenleben mit unseren Mitmenschen, was wiederum unsere Beziehungen verbessert.

Neugier: Wenn man offen ist für Neues, Dinge wissen will, immer wieder lernbereit ist bis ins hohe Alter, lässt uns das nachweislich gesünder alt werden.

Hoffnung und Optimismus: Diese Haltung als Entscheidung, als Lebensprinzip für sich zu etablieren, kann Berge versetzen. Dabei sollen keineswegs vorhandene strukturelle Ungerechtigkeiten übersehen oder als eigene Schuld gebrandmarkt werden. Aber eine gesunde Haltung dazu, sein Leben doch zur Hälfte selbst bestimmen zu können, ist doch ermutigend. Wir können unsere innere Einstellung beeinflussen. Finde und verfolge proaktiv deine Ziele im Leben und gestalte es nach deinen Werten, Wünschen und Bedürfnissen.

 

Merke:

Geduld und Selbstmitgefühl helfen uns als grundlegende Haltung in Neuanfängen. Glücklicherweise können wir unsere Identität bis ans Lebensende formen; wir können den Verlauf unseres Lebens zur Hälfte selbst bestimmen. Dabei gilt es, achtsam die Lebenszufriedenheitskurve in der Lebensmitte zu berücksichtigen. Wenn wir bereit sind, immer weiter zu lernen und neugierig sind, haben wir mehr Erfolg im Leben. Sinnvoll ist auch, uns unser Leben als positive Aufwärtsgeschichte, so irgend möglich, zu erzählen. Denn von unserer Einstellung hängt ein großer Teil unserer Lebenszufriedenheit ab.

 

Neugier hilft bei Abschied und Neuanfang

Neugier und Tatendrang helfen, ein sinnerfülltes (neues) Leben zu führen.

Mit diesen 13 Schritten meisterst du deinen Neuanfang

 

1. Finde, was dich trägt (Ressourcen)

Wie beim Gehen auf unsicherem Gelände setzen wir am besten erst dann einen Fuß auf das neue Terrain, wenn der andere Fuß auf sicherem Boden steht. In Therapie und Coaching beginnt man deshalb meistens damit, vorhandene Ressourcen zu stärken.

Überlege dir, wer und was dich trägt und hält. Welche Menschen hast du in deinem Umfeld, die dir zuhören, dich umarmen, unterstützen können? An welchen Orten fühlst du dich sicher und geborgen? Wo kannst du ganz du selbst sein und wirst so angenommen, wie du bist?

Welche Tätigkeit/Hobby usw. macht dir Freude und gibt dir Energie? Diese Dinge beruhigen dein Nervensystem, lenken ab und verschaffen dir ein Stück Halt, Sicherheit und Kraft für den Neuanfang. Schreib dir all das am besten mit der Hand auf eine Liste. Du kannst dir diese Liste auch an deine Pinnwand oder den Kühlschrank hängen und farblich kreativ gestalten. Diese Liste immer vor Augen zu haben, kann entlastend wirken.

 

2. Innehalten, bilanzieren und Selbsterkenntnis

In der Biografiearbeit finden wir immer den Dreiklang: Herkunft, Gegenwart und Zukunft. Nimm dir deshalb Zeit dafür, den vergangenen Lebensabschnitt zu reflektieren. Ein achtsames Schauen auf das, was bisher war, was daran gut war, gibt einem ein Gefühl von Sinnhaftigkeit des vergangenen Lebensabschnittes. Warum habe ich mich in der Vergangenheit für diesen Beruf entschieden? Was war gut an der zerbrochenen Beziehung? Was habe ich erlebt und gelernt? Mit einer wertschätzenden Rückschau baust du dir ein gutes Fundament für dein kommendes Leben.

 

3. Kindheit und Familiengeschichte reflektieren

Manchmal kommen bei einer Lebenswende auch uralte Gefühle aus Kindheit und Jugend zum Vorschein, die man längst abgelegt zu haben glaubt. Da lohnt es sich, diese Dinge noch einmal genauer zu reflektieren, wenn notwendig, auch mit Hilfe von Psychotherapeut*innen.

Es gibt den denkwürdigen Satz: „Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit“. Das mag überspitzt klingen. Aber es ist möglich, auch schlimme Erfahrungen aus der Kindheit so zu verarbeiten, dass man eine höhere Lebensqualität erreichen kann.

 

Selbstreflektion bei Abschied und Neuanfang

Eine gute Selbstreflektion der eigenen Familiengeschichte erhöht nachweislich unsere Widerstandskraft.

 

Besonders bei einem sehr fordernden Neuanfang hilft es, dir die eigene Familiengeschichte mit Herkunft, Aufwachsen und Prägung in Kindheit und Jugend genauer anzuschauen. Die noch junge Resilienzforschung hat herausgefunden, dass das Verstehen der eigenen Familiengeschichte dabei helfen kann, ein stärkeres Identitätsgefühl zu entwickeln. Seine Wurzeln zu kennen, verankert uns stärker im Hier und Jetzt. Wir fühlen uns verbunden und getragen.

 

4. Rituale

Ein beliebtes Ritual wie das Schreiben eines Abschiedsbriefes an das alte Ich, den früheren Freund oder Partner oder eine überstandene Krankheit ist eine gute Möglichkeit, den Übergang bewusst zu gestalten. Ob du diesen Brief dann abschickst, feierlich verbrennst oder in deinen Erinnerungen aufbewahrst, kannst du entscheiden. Aber das Aufschreiben, am wirkungsvollsten von Hand, ist ein tiefer Schreib-Denk-Prozess, der Gedanken und Gefühle verbindet. Dieses Aufschreiben reguliert Gefühle und sortiert die Gedanken.

Mancherorts haben sich bereits Scheidungspartys etabliert. Ich erinnere mich noch sehr gerne an meine Einweihungsfeier, als ich vor wenigen Jahren in meine neue Wohnung gezogen bin. Ich hatte etliche Freunde u.a. aus meinem Chor und sonstigen Zusammenhängen eingeladen und habe sogar ein kleines Gitarrenständchen bekommen. Solche Rituale machen den Lebensübergang spürbar, dokumentieren ihn auch nach außen. Das in Gemeinschaft zu erleben, setzt einen besonderen Moment; für einen selbst wie auch für die Menschen, mit denen man in Beziehung ist.

 

5. Standortbestimmung im Heute

Pasqualina Perrig-Chiello, Expertin für Lebensübergänge, betont, dass Umbruchphasen zwar verunsichern, zugleich aber Chancen sind, achtsamer für Neues zu werden. Sie empfiehlt eine gründliche Standortbestimmung: Was waren meine Träume? Was habe ich davon bisher umsetzen können und was ist noch offen?

Als nächstes fragt man sich: Wer bin ich heute? Was steckt noch in mir? Durch diese Überlegungen kommt man dann zu stimmigen Antworten darauf, wie man seine Zukunft gestalten, worauf man hoffen darf. 5

Unterziehe alle deine Lebensbereiche, von Beziehungen, deiner beruflichen Situation, Gesundheit bis Freizeit einem Check, inwieweit du mit ihnen zufrieden bist. Hier findest du eine Anleitung, wie du das mit dem Lebensrad am übersichtlichsten und schnellsten für dich herausfindest.

 

6. Stärken finden und sammeln

Wesentliches Element der Selbsterkenntnis ist, deine Stärken zu kennen. Sie sind eine wichtige Voraussetzung für ein gelungenes Leben. Deine Stärken zu kennen, hilft dir, deine Selbstverantwortung in Gang zu setzen. Sie ist laut Forschung der Schlüssel für Selbstwirksamkeit, Lebenssinn, Wohlbefinden und Gesundheit. 6

Worin bist du besonders gut? Wobei fragen dich Bekannte öfter um Rat? Was hast du schon als Kind gut gekonnt? Was fällt dir leicht? Welche Hürden hast du im Leben schon gemeistert? Welche Eigenschaften haben dir dabei geholfen? Liste all deine Stärken und Fähigkeiten auf. Auch diese Liste kannst du dir sichtbar aufhängen, so dass du sie stets vor dir hast. Auf diese Liste zu schauen, kann in immer wieder aufkommenden Momenten großer Selbstzweifel Soforthilfe leisten.

 

7. Tun stärkt Selbstbewusstsein

Ist dein Selbstbewusstsein in den Keller gerutscht, dann hilft neben dem Sammeln von Stärken und Komplimenten, einfach ins Handeln zu kommen. Auch häufigem bis ergebnislosem Grübeln können wir mit Tätigkeiten ein Schnippchen schlagen. Bis zu einem gewissen Grad hilft uns das Nachdenken für bewusste Selbsterkenntnis. Zuviel ist aber nachweislich nicht dienlich.

Auch bei leichteren Depressionen hilft es, tätig zu werden. Das gibt uns das Gefühl von aktiver Handlungskompetenz zurück. „Erwachsene“ Tätigkeiten, also Dinge wie Kochen, auf der Tastatur schreiben oder mit dem Hammer Nägel in die Wand zu schlagen, beruhigen das Nervensystem.

 

8. Hobby (wieder-) entdecken

Eine wunderbare Möglichkeit, etwas zu tun und dich auszuprobieren ist, ein altes Hobby wieder zu betreiben oder ein neues zu finden. Bei einer solchen Freizeitbetätigung musst du kaum Erwartungen erfüllen und kannst klein anfangen. Du kannst feststellen, ob dir diese Betätigung gefällt oder dir doch etwas anderes besser liegt.

Außerdem findest du hier eher Gleichgesinnte und kannst neue Freundschaften entwickeln. Da das Ganze meistens auch noch richtig Spaß macht, schlägst du mindestens drei Fliegen mit einer Klappe. Was das Hobby des Chorgesangs für mich bedeutet, kannst du hier nachlesen.

 

9. Aufbau sozialer Netzwerke

Pflege deine sozialen Kontakte! Egal, ob mit Familienmitgliedern oder angenehmen Nachbarn. Lege größten Wert auf gute Freundschaften. Besonders Frauenfreundschaften mit Solidarität können dir viel Halt und das Gefühl von Verbundenheit geben. Nutze auch Netzwerke und bitte um Hilfe. Gemeinschaftliche Unterstützung stärkt die Resilienz. Bedenke, dass du anderen Menschen auch einen Gefallen tust, wenn du sie um Hilfe bittest, weil Menschen gerne helfen.

Als eine Freundin wegen eines Klinikaufenthaltes ihren Umzug nicht bewältigen konnte, haben wir das im Freundeskreis für sie erledigt. Wir haben das Möbelabbauen, Kistenschleppen und Wiederaufbauen in der neuen Wohnung als eine schöne Gemeinschaftsaktion mit belegten Brötchen, Sekt und Selters geplant und es hat uns Spaß gemacht. Wir wussten, wir können einer Freundin damit sehr helfen. Das fühlte sich richtig gut an.

 

10. Dein Körper ist dein Tempel

Auch wenn es langweilig klingt: gehe so pfleglich mit deinem Körper um wie nur möglich: gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung, häufiger Aufenthalt in der Natur, eine Schlafroutine, helfen, schneller und gesünder durch die herausfordernde Zeit zu kommen. Nimm regelmäßige Check-Up-Termine bei der Ärztin wahr. Unterlasse Drogen, Rauchen und Alkohol. Sie sind definitiv keine Lösung, sondern ein riesiges Problem. Falls du suchtkrank bist oder gefährdet bist, es zu werden, suche dir Hilfe. Sowohl für die Seele, die damit eine Leere füllen will als auch für die Abhängigkeit. Ich habe als eiserne Regel für mich, niemals aus Frust Alkohol zu trinken, sondern nur für den Genuss. Denn wir haben nur ein Leben und nur diesen einen Körper.

 

11. Selbstfürsorge

Neben Akzeptanz und Geduld sind ein achtsames Verhalten dir selbst gegenüber hilfreich. Sei so liebevoll mit dir selbst wie möglich! Gehe mit dir so freundlich und wertschätzend um, wie du es (hoffentlich) mit einer Freundin tun würdest.

Auch mit welchen Worten wir innerlich mit uns sprechen, ist bedeutsam: es macht einen Unterschied im Kopf, ob wir uns mit der Stimme der inneren Kritikerin hartherzig antreiben und uns beschimpfen oder ob wir nachsichtig und humorvoll mit scheinbaren Fehlern umgehen. Auch das hat Forschung festgestellt, dass wir zu besseren Ergebnissen kommen, wenn wir Selbstmitgefühl praktizieren. Zum Beispiel statt mit uns zu schimpfen nachsichtig und motivierend mit uns selbst sprechen. Benutze bei Dingen, die dir nicht gelingen, das Wort „noch“ nicht. „Ich kann es noch nicht“. Damit bleibst du realistisch, aber zukunftsgerichtet.

Achte gut auf deine Bedürfnisse. Schule deine Wahrnehmung, finde Worte für das, was du fühlst. So kannst du klar benennen, was du brauchst und willst. Dich klar abzugrenzen, hilft dir einerseits, deine Selbstfürsorge zu stärken (und das fühlt sich sehr gut an 😉) und andererseits machst du anderen deine Grenzen klar. Du musst nicht von allen gemocht werden. Wer Nein sagen kann, wird im Gegenteil mehr respektiert.

 

12. Neue Werte, neue Ziele

Da sich unsere Identität immer wieder etwas ändert und an unsere aktuellen Lebensbedingungen anpasst, ändern sich auch unsere Werte. Als wir jung waren, wollten wir vielleicht mehr Action in einer Innenstadt-WG, heute suchen wir mehr Harmonie am Waldrand oder umgekehrt.

Mit seinen wesentlichen Werten im Einklang zu leben ist entscheidend für die Lebenszufriedenheit und das subjektive Wohlbefinden. Laut wissenschaftlicher Studien hat wirkt das sehr positiv auf unsere psychische Gesundheit. Werte dienen uns als innere Leitlinien für das Verhalten und unsere Entscheidungen. Hier ist eine Anleitung, mit der du deine (neuen) wesentlichen Werte finden kannst.

Hast du also deine Werte und Bedürfnisse neu für dich sortiert, kannst du nun deine überprüften Lebensbereiche ansehen und daraus deine neuen Zielbereiche definieren. Empfehlenswert ist es, dich zunächst auf 2 große Bereiche zu beschränken. Beim Zielesetzen hilft uns, wenn wir sie konkret benennen und einen Zeitrahmen festsetzen, bis wann wir das Ziel erreichen wollen. Die Ziele sollten für uns attraktiv und ausführbar sein, aber auch realistisch und messbar.

 

13. Wissen ist Trumpf

Nachdem du jetzt deine Ziele kennst, kannst du dich auch wieder deinem Geist zuwenden. Bildung ist Trumpf! Nutze jede Gelegenheit, dich weiterzubilden, Kurse, Workshops, Seminare zu belegen. Sie eröffnen dir nicht nur neue Perspektiven, sondern Kontakte, Chancen, Möglichkeiten, dich weiterzuentwickeln. Lies Bücher, gute Zeitschriften oder höre Podcasts.

Kümmere dich auch um deine Finanzen so gut es geht. Begleiche Konsumschulden, überprüfe deine Ausgaben und teile dein Geld in Budgets für Fixkosten, Sparen und Aktivitäten, die dir Freude machen. Überprüfe die beim Rententräger hinterlegten Berufs- und Erziehungszeiten, stelle einen Antrag auf Kontenklärung. Stellst du Lücken darin fest, teile sie unbedingt dem Rententräger mit. Normalerweise wird dir alle paar Jahre der aktuelle Rentenstand mitgeteilt. Überprüfe, wieviel Rente du voraussichtlich erhalten wirst. In den meisten Fällen wird sie eine (zu?) große Lücke zu dem Budget aufweisen, das du für dich als lebenswert erachtest. Deshalb kümmere dich so früh wie möglich um private Vorsorge. Schon mit kleinen Sparbeträgen monatlich kannst du einen Grundstock aufbauen.

 

Merke:

Reflektiere den vergangenen Lebensabschnitt, wertschätze das Gute daran und überlege, was du gelernt hast. Finde deine Ressourcen, um Kraft zu tanken. Nach einer soliden Rückschau überprüfe dein aktuelles Leben: was darf gehen, was soll bleiben, was möchtest du ausbauen. Sammle all deine Stärken und Fähigkeiten. Sie sind ein wirksamer Hebel für deine gelingende Zukunft. Pflege deine Beziehungen und werde aktiv. Bei einem Hobby kannst du beides miteinander verknüpfen. Gehe achtsam mit dir um und setze Grenzen. Für dein zukünftiges Leben ist es am wichtigsten, entlang deiner Werte und Bedürfnisse zu planen. Bleibe hoffnungsvoll und optimistisch.

Tagebuch, Podcasts, Apps und Co.: Nützliche Tools, wenn du zwischen Abschied und Neuanfang stehst

 

Das Schreiben, vor allem per Hand, ist eine sehr wirkmächtige Möglichkeit, Dinge zu verarbeiten und für sich neue Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Besonders durchdacht und schön gestaltete Tagebücher und Journals sind diese hier:

 

Tagebücher/Journals

 

Autobiografisch schreiben

  • Für einen tiefergehenden Rückblick auf dein Leben leitet dieses Angebot der Uni Zürich dazu an, sein Leben oder Teile davon aufzuschreiben.
  • Die Pionierin des Journalings für persönliches Wachstum, die amerikanische Psychotherapeutin Kathleen Adams, bietet auf ihrer Website Schreibmöglichkeiten an, die zum Einstieg oder für tiefergehende Selbstreflektion einladen.
  • Im deutschsprachigen Raum sind die Angebote des Writersstudio in Wien ein Leuchtturm. Hier gibt es zahlreiche, allerdings nicht ganz günstige, Kurse für autobiografisches Schreiben sowie besondere Schreibgruppen.
  • Sehr fundierte Schreibkurse, die Psychologie und Biografie miteinander verbinden, bietet auch die Biografieforscherin, Coach und Journalistin Dr. Birgit Schreiber an.

 

Zum Lesen

  • Interessante und inspirierende Inhalte rund um Achtsamkeit in der Zeitschrift Flow.
  • Roman Laufen von Isabel Bogdan: Eine Frau in mittleren Jahren verarbeitet den Tod ihres Partners durchs Joggen. Stück für Stück findet sie zu neuem Lebensmut.
  • Sehr empfehlenswertes Sachbuch Own your Age der Entwicklungspsychologin und Expertin für Lebensübergänge Dr. Pasqualina Perrig-Chiello.

 

Apps

  • Jede Menge Routinen für Morgens und Abends, Achtsamkeit, Meditation bietet die App 7Mind, größtenteils kostenpflichtig, aber für Barmer-Mitglieder mit Erstattung.
  • Kostenlose App vom Verlag Ein guter Plan, der auch das Große Buch der Selbstreflektion herausgibt.

 

Podcasts

 

Vermeide diese Stolperfallen beim Thema Abschied und Neuanfang

 

Folgende Fehler begehen Menschen, die ihren Neuanfang erschweren können:

 

Gefühle deckeln: Veränderungen sind oft mit starken Emotionen verbunden. Das Ignorieren oder Unterdrücken dieser Gefühle kann den Prozess erschweren. Es ist wichtig, sich mit den eigenen Emotionen auseinanderzusetzen und gegebenenfalls Unterstützung zu suchen. Gefühle wollen gefühlt werden. Sie müssen durchlebt werden, damit man hinterher den Schmerz loslassen oder besser verarbeiten kann. Nichtverarbeitete Anteile in uns kommen sonst später oder an anderer Stelle wieder.

 

Ungeduld: Verlange nicht zu früh zu viel von dir. Ein Neuanfang im Leben ist ein Prozess, der aus vielen einzelnen Schritten besteht. Auch die Seele braucht manchmal länger, als man denkt. Lass dir die Zeit, die du brauchst, um im neuen Leben anzukommen.

 

Das alte Leben unreflektiert „beiseitelegen“: Wenn du schnell wieder funktionieren möchtest und dafür den bisherigen Lebensabschnitt nicht genug reflektierst, kann es passieren, dass du die gleichen Fehler nochmal machst, deine aktuellen Werte und Bedürfnisse zu wenig überprüfst und Entscheidungen triffst, die nicht klug sind für dich.

 

Zu früh in eine neue Beziehung stürzen: Falls du eine Trennung hinter dir hast und dir eigentlich dringend eine Beziehung wünschst, möchte ich dir dringend raten, damit zu warten. Es ist wichtig, dass du zunächst die guten und die weniger guten Seiten der zu Ende gegangenen Beziehung für dich aufarbeitest. Dich selbst wieder neu kennenlernst und zu dir findest.

Ein/e neue/r Partner*in möchte auch nicht als Notnagel dienen, sondern um seiner selbst willen geliebt und geschätzt werden. Im ungünstigsten Fall kommen zwei Menschen mit unverarbeiteten Beziehungsgeschichten zusammen und bringen somit Gefühle in die neue Beziehung, die noch mit alten, unverarbeiteten Erfahrungen zusammenhängen. Keine gute Basis für eine gelingende Beziehung zweier erwachsener Menschen.

 

Isolation: Versuche nicht, alles allein schaffen zu wollen. Frage und nutze Hilfe, sowohl praktisch als auch emotional. Man darf um Hilfe bitten; wir Menschen sind soziale Wesen. Viele Menschen helfen außerdem gern, es fühlt sich für die meisten Menschen gut an, gebraucht zu werden.

 

Unklare Ziele und mangelnde Planung: Ohne klare und realistische Ziele kann der Neuanfang in die falsche Richtung führen. Es ist wichtig, spezifische und erreichbare Ziele zu definieren, um den Fortschritt messbar zu machen. Ohne sorgfältige Planung hast du zu viel Unsicherheit. Eine strukturierte Herangehensweise hilft, mögliche Hindernisse frühzeitig zu erkennen und zu bewältigen.

 

Fehlende Flexibilität: Zu starr sollte der Plan allerdings auch nicht sein. Denn wenn unvorhergesehene Ereignisse eintreten, werfen sie dich wieder aus der Bahn. Deswegen ist eine Mischung aus einem Plan mit flexiblem Reagieren auf Dinge, die am Wegesrand passieren, die beste Mischung. Passe deinen Plan von Zeit zu Zeit an, wenn du neue Erkenntnisse gewonnen hast.

 

Neuanfang

Nach überstandener Lebenskrise geht es uns oft sogar besser als vorher.

 

 

Fazit:

Abschied und Neuanfang können eine Lebens-Krise sein und „Wachstums-Schmerz“ hervorrufen. Doch die meisten Menschen profitieren auch davon. Am meisten hilft, ehrlich das bisherige Leben zu reflektieren. Es gilt, sich auf Ressourcen und Stärken zu konzentrieren und die eigenen Werte und Bedürfnisse neu zu überprüfen. So treffen wir bessere Entscheidungen für den neuen Lebensabschnitt.

Besonders für Frauen sind ein liebevolles Selbstmitgefühl und Geduld mit sich selbst hilfreich. Freundschaften und Netzwerke zu pflegen sowie um Hilfe zu bitten, sind kluge Strategien. Besonders in der Lebensmitte sind Frauen vielfältig beansprucht. Werden sie gut bewältigt, bieten diese Jahre allerdings ganz neue Möglichkeiten für die Liebe, Freundschaften, berufliche Perspektiven und Freizeit. Begegnen Frauen dem Älterwerden mit innerlicher Reife und Selbstbewusstsein, definieren sie ihren Platz im Leben nach eigenen Regeln, steht ihnen ein völlig neuer Lebensabschnitt bevor mit Fülle und Sinnerleben.

 

„Eine Frau sollte sich jeden Morgen fragen: Wer bin ich? Und was möchte ich heute sein?“

 

Simone de Beauvoir

 

Wenn du deine Familiengeschichte reflektieren, dein aktuelles Leben genauer sortieren, deine Stärken, Werte, Bedürfnisse und darauf abgestimmt deine neuen Lebensziele strukturiert angehen willst, dann kommst du mit meinem Kurs schneller ans Ziel.

Für mehr Tipps zu Persönlichkeitsentwicklung, autobiografischem Schreiben und Inspirationen von tollen Frauen abonniere meinen Newsletter.

Schreibe mir gerne, welchen Neuanfang im Leben du bewältigt hast und wie du das geschafft hast. Ich freue mich auf deinen Kommentar unter diesem Beitrag. 🙂

 

Quellen:

¹ Own your Age, Prof. Dr. Pasqualina Perrig-Chiello, Beltz Verlag, 2024, S.26

² Biografiearbeit in Beratung und Coaching, Hubert Klingenberger, Don Bosco, 2017, S. 9 ff

³ Own your Age, Prof. Dr. Pasqualina Perrig-Chiello, Beltz Verlag, 2024, S.43

4 Own your Age, Prof. Dr. Pasqualina Perrig-Chiello, Beltz Verlag, 2024, S.118

5 Own your Age, Prof. Dr. Pasqualina Perrig-Chiello, Beltz Verlag, 2024, S. 49

6 Own your Age, Prof. Dr. Pasqualina Perrig-Chiello, Beltz Verlag, 2024, S. 59

Neuanfänge, Inspirierende Geschichten vom Mut zur Veränderung, Die Zeit, 2025

Musterbruch, Patricia Cammarata, Beltz Verlag, S. 20

Das weibliche Kapital, Linda Scott, Büchergilde Gutenberg, Carl Hanser Verlag, 2020

Auf meinen Spuren, Herbert Gudjons, Birgit Wagener-Gudjons, Marianne Piper, Julius Klinkhardt, 2020

 

 

 

 

 

 

 

 

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