Biografisches Schreiben lernen – Wohin mich mein Schreiben schon geführt hat

12. Juni 2025

Wenn du biografisches Schreiben lernen möchtest, kann dir meine Geschichte vielleicht Mut machen. Schon als Kind hatte ich ein Tagebuch – nicht, weil mir jemand sagte, ich solle schreiben, sondern weil ich es so schön fand, hineinzuschreiben. Schreiben war meine Art, mich auszudrücken und meinen Tag festzuhalten. Ich glaube, ich habe auch mich selbst damit (fest-) gehalten. Was damals begann, ist heute mein Beruf – und meine Berufung.

Als freie Journalistin habe ich viele Jahre professionell mit Sprache gearbeitet. Ich war neugierig auf andere Menschen, ihre Geschichten, ihre Wahrheit. Doch erst das biografische Schreiben – mein eigenes – hat mir gezeigt, wie kraftvoll das Schreiben sein kann, wenn es persönlich wird. Es hat mir geholfen, Entscheidungen zu treffen, alte Muster zu erkennen und mich neu auszurichten.

In diesem Beitrag erzähle ich dir, wohin mich mein Schreiben geführt hat – und warum ich heute Kurse anbiete, in denen andere genau das lernen können: biografisches Schreiben als Weg zu sich selbst. Vielleicht findest du dich in meinen Stationen wieder. Vielleicht beginnst du danach selbst, zu schreiben – nicht für andere, sondern erstmal nur für dich. Mit diesem Beitrag beteilige ich mich an der Blogparade von Kerstin Salvador, die als Lektorin und Autorin viel mit Schreiben zu tun hat.

Die ersten Spuren – Schreiben als Kind

Ich erinnere mich an kleine Buchstaben aus Plastik, in Rot, Gelb, Blau… Die kleinen, bunten Buchstaben stecke ich auf eine weiße Plastiktafel, erste Worte entstehen. Schon recht bald, nachdem ich in der Schule Lesen und Schreiben lernte, liebte ich das Schreiben, das Rascheln von Papier, das Blättern in Büchern und Zeitschriften. Die Kinderzeitschrift „ABC-Zeitung“ macht mit ihren bunten Seiten Lust auf mehr. Bald schon bin ich mit Sätzen wie „Peter bei Oma“ oder „Papa im Haus“ unzufrieden und will mehr Geschichten in den Texten lesen. Schnell kann ich richtig gut vorlesen und nutze jede Gelegenheit dazu, sowohl in der Schule als auch zu Hause. Meinen Eltern trage ich gerne Kurzmeldungen aus der Zeitung wie eine Nachrichtensprecherin vor.

Lesen ist die Grundlage dafür, den Aufbau von Geschichten zu lernen: wie ist die Hauptfigur angelegt, wie die Geschichte aufgebaut (der Plot), welchen Rhythmus hat der Text und vieles mehr. Irgendwann muss ich davon erfahren haben, dass man seine Gedanken, Gefühle und Erlebnisse auch in ein Tagebuch schreiben kann. So beginne ich mit elf Jahren, in eine graue Kladde zu schreiben. Später finde ich ein leeres, rotes Notizbuch im Büroschrank meines Vaters. Das gefällt mir besonders gut und heute ist es mein liebstes Tagebuch aus meiner Jugend.

Wenn ich die Texte meiner Kindheit und Jugend durchstöbere, entdecke ich immer wieder Erlebnisse, Tatsachen und Gedanken von damals, die ich fast vergessen hatte. Manches erstaunt mich, bei manchen Formulierungen muss ich lachen oder wundere mich. Und da ist ein Satz, an dem ich hängenbleibe: „Ich will das Leben, mit allem, was dazugehört, kosten“, schreibe ich am 28.März 1986, mit 16 Jahren. MIr wird wieder klar, dass sich einige wesentliche Züge meiner Persönlichkeit schon damals gezeigt haben.

Ich will das Leben, mit allem, was dazugehört, kosten!

Mit dem Schreiben über mein Leben, denn auch Tagebuchschreiben ist eine Form des biografischen Schreibens, habe ich mir also eine Art doppeltes Leben geschrieben. Nicht viel, aber doch genug, um ein Stück des Aufwachsens, eigene Entwicklung, meine Gedanken, für mich festgehalten, es als Schatz gesichert zu haben. Ich kann in diesem Leben immer wieder blättern, kann mich meiner selbst vergewissern, gezielt nach Erlebnissen stöbern und mir neu auftauchende Fragen beantworten. Oder mal endlich ein (literarisches) Buch schreiben.

Das private Schreiben – Gedichte und Journaling

Wie fast jeder Teenager schrieb auch ich ein paar Gedichte, wenn auch von überschaubarer Qualität. Ich machte aber als Studentin weiter. An der Bundesakademie für Kulturelle Bildung besuchte ich ein wunderbares Seminar eines Lyrikers. Gemeinsam mit anderen Studierenden feilten wir gemeinsam an unseren Gedichten, bis sie deutlich besser wurden. Einen Fernlehrgang für kreatives Schreiben hatte ich auch begonnen, diesen aber ehrlicherweise wieder abgebrochen. Zwanzig Jahre später habe ich einen ähnlichen, umfangreicheren Fernkurs begeistert durchgezogen.

Im Laufe der Jahre habe ich in meinen vielen Notizbüchern Szenen, Beobachtungen und Gedankenfetzen aufgeschrieben. Denn ich beobachte gerne Menschen: wie sie gehen und sprechen, wie sie wirken, wie sie sich zu fühlen scheinen, was sie tun und sagen oder nicht sagen. Weitere Gedichte oder Geschichten kamen dazu. Auch eine Kinderbuchidee liegt seitdem geduldig in der Schublade. Auch zum Kinder- und Jugendbuch besuchte ich ein wertvolles Seminar der Textmanufaktur. Über dieses Seminar schrieb ich wiederum eine Reportage für das Schreibmagazin Textart, das zwischenzeitlich eingestellt wurde, nun aber unter neuer Regie wieder erscheint. Berufliches und privates Interesse konnte ich damit wunderbar vereinen.

Doch eines Tages hatte ich mich selbst verloren: Nach vielen Jahren, in denen ich täglich versuchte, Beruf und Leben als Familienmutter mit zwei Kindern unter einen Hut zu bekommen, hatte ich mich aus mehreren Gründen etwas von mir selbst entfernt. Nach vielen Jahren fast ohne Tagebuchschreiben nahm ich mir endlich wieder ein Notizbuch her und begann, etwas von meinem Leben aufzuschreiben. Worüber ich mir Gedanken machte. Was schön war und richtig und was weniger gut lief. In der Zwischenzeit hörte ich immer öfter den Begriff „Journaling“. Und lernte den Unterschied zwischen Tagebuch schreiben und Journaling kennen.

Im Gegensatz zum Tagebuch versucht man beim Journaling, zielgerichteter zu schreiben. Man stellt sich eine konkrete Frage oder will mehr zu einem Lebens-Thema wissen, das einem immer wieder vor die Füße fällt.

Außerdem schreibt man am Ende einer solchen Schreibsession immer ein Fazit. In etwa so: Als ich heute über mein Thema xy schrieb, habe ich festgestellt, wie lange mich diese Frage schon beschäftigt. Dann ist mir aufgefallen, dass ich schon als Jugendliche immer wieder selbst auf gute Lösungen gekommen bin. Das hatte ich ganz vergessen. Ich glaube, ich bin talentierter dabei als ich bisher von mir dachte.“ Ein solches Fazit zu ziehen empfiehlt im Übrigen auch Schreibdozentin und Biographieforscherin Dr. Birgit Schreiber. Sie nennt es „ernten“: die beim Schreiben gewonnenen Erkenntnisse noch einmal aufschreiben.

Biografisches Schreiben und ein neues Leben

Mit dieser zielgerichteten Art zu schreiben hatte ich eines Tages ein Schlüsselerlebnis: Ich glaube, wir waren gerade im Urlaub in Griechenland. Dorthin hatte ich extra ein großes Notizbuch und einige Schreibanregungen mitgenommen, die ich regelmäßig durchging. Bei einer meiner Schreibzeiten kam ich darauf, was meine wichtigsten Bedürfnisse sind. Ich werde nie vergessen, was das für ein intensiver Moment für mich war. Es war wie ein lautloser Donnerschlag für mich. Weil ich nun mehr Klarheit darüber hatte, wie ich mir mein Leben einrichten kann, damit es mir gut geht. Was ich unbedingt brauche, damit es zu mir passt.

In Kindheit und Jugend bin ich, wie viele andere Menschen – vor allem Frauen –  auch, nicht damit aufgewachsen, nach meinen Bedürfnissen zu fragen. Lange wusste ich gar nicht, woher ich wissen sollte, was ich wollen könnte.

Jetzt aber hatte ich neue Entscheidungsgrundlagen. Ich wusste jetzt viel mehr darüber, was ich wirklich brauche. Mit dieser starken Erkenntnis im Gepäck blieb ich beim Tagebuch schreiben und dem Journaling. Ich nutzte mal dies und mal jenes, je nach Situation. Und in meinem privaten Leben traf ich eine schwierige, aber notwendige Entscheidung. Mit Rücksicht auf andere Menschen führe ich dies nicht näher aus. Zwar dauerte es noch eine Zeit lang, bis ich meine Entscheidung in die Tat umsetzte. Aber das Segel für meine Zukunft hatte ich gesetzt. Meine Zukunftsvorstellung gab mir Ansporn und Rückenwind zugleich.

Außerdem stieß ich beim Stöbern in meinen alten Tagebüchern auf einen Text, den ich mit 17 Jahren geschrieben hatte. Sinngemäß schrieb ich, dass ich mir selbst verspreche, an meinen Träumen festzuhalten und mir treu zu bleiben. Das fand ich dann doch erstaunlich und berührend, dass ich dass damals schrieb. Und mich genauso verhalten hatte. Ich hatte mir schon damals eine Leitlinie aufgeschrieben, an der ich mich womöglich unbewusst orientiert hatte.

Im Herbst 2018 waren gleich mehrere schwierige Dinge in meinem Leben auf einmal passiert. In den Monaten darauf krempelte ich mein Leben komplett um: ich veränderte Wohnort, Job und die Menschen, mit denen ich zusammenlebte. Neben meinem Umzug unterstützte ich auch den Umzug meines damals 88-jährigen Vaters, der in meine Nähe zog. Ich schleppte schwere Möbelteile, schraubte Dutzende Schränke zusammen, lernte, mit der Bohrmaschine umzugehen und alleine zu leben. Ich suchte mir einen Nebenjob als Seniorenbegleiterin, um meiner Arbeit als freie Journalistin ein zweites Standbein zu verschaffen. Und noch vieles andere mehr. Als der letzte Schrank aufgebaut war und ich den Schraubenzieher zur Seite legen konnte, klappte ich den Rechner auf und fand in meinem E-Mail-Postfach eine sensationelle Anfrage.

Schreiben als Beruf – Journalismus und Lektorat

Ein Verlag, originellerweise der Berg-Verlag (zum Bruckmann-Verlag gehörend), mit dem ich nicht verwandt bin, hatte mich im Internet entdeckt und fragte tatsächlich an, ob ich ein Buch für sie schreiben wolle. Ich bekam diese Anfrage völlig unverhofft. Und freute mich wie eine Schneekönigin. Aber bis dahin war es ein langer Weg.

Eigentlich hätte ich gerne Germanistik studiert. Das hat sich aber nicht ergeben, also studierte ich Betriebswirtschaftslehre, erst in Zwickau, dann an der Fachhochschule in Nürnberg. Dieses für mich eher trockene Studium habe ich mir recht bald mit zusätzlichen Fächern wie Verlagswesen, Weltliteratur, Soziologie oder Philosphie gewürzt. Da mein Ziel immer war, beruflich vor allem mit Schreiben zu tun zu haben, habe ich nebenbei Journalismuskurse bei zwei erfahrenen Journalist:innen besucht.

Am ehesten ließ sich mein Ziel über den Umweg in die PR (Public Relations, dt. Öffentlichkeitsarbeit) verfolgen. Das habe ich mit meiner Diplomarbeit und dem ersten Job nach dem Studium geschafft. Als leitende Angestellte in einem Verband habe ich vor allem Texte für Medien verfasst und Kulturangebote gestaltet. Das kam gut an. Umso glücklicher war ich, als ich nach diesem Job in einen Verlag kam, der mir ein Volontariat anbot. In diesen zwei Jahren arbeitete ich wie eine Redakteurin für eine Zeitschrift der Möbelzulieferindustrie. Ich schrieb über Möbelkanten und Türgriffe, machte mich über Leuchtmittel und Kücheninnenleben schlau oder den Innenausbau von Wohnmobilen.

Mitten im Volontariat bekomme ich meine beiden Kinder. Das Volontariat muss warten. Da ich mich bald im Mütterzentrum treffe, damit sowohl mein Kinder als auch ich unter andere Kinder und Erwachsene kommen, wird eine neue Person für die Pressearbeit gesucht. Ich greife sofort zu. Ein Jahr lang trage ich die Arbeit des Mütterzentrums in Pressemeldungen, für die Website, in Wahlprüfsteinen oder einer Ausstellung nach außen. Auf diese Weise bekomme ich Kontakt zur Lokalredaktion der Tageszeitung. Ich frage nach, ob ich für sie schreiben könne. So beginne ich, über Konzerte, Vorträge oder andere Veranstaltungen zu berichten. Ich freue mich darüber, dass meine Texte nie gekürzt werden.

Als auch mein zweites Kind reif für den Kindergarten ist, kann ich das Volontariat wieder aufnehmen und in Teilzeit fertig absolvieren. Allerdings bin ich als Redakteurin mit Kind eine Exotin im Verlag; für die männlichen Kollegen mit Kind ist das nicht so; die Zeit bei diesem Verlag geht also nach Abschluss meines Volontariates zu Ende. Bei einem anderen kann ich dafür anfangen. Wenn auch als Handelsvertreterin auf selbstständiger Basis. Hier geht es weniger ums Schreiben, sondern vielmehr darum, Geschäftsleitungen in meiner Region hochwertige Bildbände vorzustellen, die sie als Geschenke für besondere Kunden und Geschäftsparterinnen verschenken können. Vom Verkaufserlös werden zusätzlich der Umweltverband WWF und später auch der Verein Menschen für Menschen unterstützt.

Eine Zeitlang finde ich das ganz spannend. Ich klappere die vielfältigen mittelfränkischen Firmen ab, führe launige Gespräche und bewundere einmal jährlich zur Weihnachtsfeier in einem schicken Kölner Hotel die Verkaufsprofis und neue Produkte.

Doch nach vier Jahren will ich wieder konzeptionell arbeiten: schreiben, recherchieren, mir Gedanken über Inhalte machen. Also beende ich die Tätigkeit als Handelsvertreterin und forciere meine Selbstständigkeit in Richtung freie Journalistin. Endlich. Das war es, was ich eigentlich immer wollte. Zunächst beginne ich, Reportagen für ein fränkisches Magazin zu schreiben. Ich krieche durch Höhlen, frage Menschen mit ungewöhnlichen Sammlungen und Hobbys aus, stapfte durch eine mit Sägespänen übersäte Dreherwerkstatt mitten in Nürnberg-Gostenhof … Mein erster Text über ein Eselrennen in Hersbruck ist noch gewöhnungsbedürftig: ich hielt es für eine gute Idee, die Geschichte mit einem bestimmten Esel als Protagonisten zu stricken.

Mein damaliger Chefredakteur lässt mich schmunzelnd gewähren und ich entwickle mich weiter. Ich baue mir die ersten Reportagen Stück für Stück zusammen, befasse mich mit den verschiedenen Möglichkeiten, diese Textsorte zu gestalten. Ich schreibe über Menschen, altes Handwerk, Franken, Kultur, Literatur, Soziales und Berufe.

Im Laufe der Jahre gewinne ich mehr Auftraggeber im Print- und Online-Bereich. Darunter der Meramo-Verlag, der für die Bundesagentur für Arbeit tätig ist. Für die Plattform Abi.de schreibe ich diverse Texte über Berufe. Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung fragt an. Ein interessanter Auftraggeber war das Magazin WILA Arbeitsmarkt des Wissenschaftsladen Bonn e.V. Aus meinem Umfeld kommen Anfragen für Produkttexte für ihre Websites. So kommt eines zum anderen. Ich ergreife einfach Gelegenheiten beim Schopf. Bei einer Konferenz zum Kultur- und Verlagsbereich in Nürnberg kann ich ein Interview mit einem Verlagsleiter führen. Also recherchiere ich schnell nach einem geeigneten Aufnahmegerät, besorge mir das am Vormittag und sitze wenige Stunden später mit dem Gerät beim Interviewpartner, hoffend, dass alles funktioniert.

Ich komme auch in Kontakt mit der örtlichen Volkshochschule, für die ich eine Zeit lang den Newsletter schreibe. Auf diese Weise ergattere ich einen Traumjob in der örtlichen Bücherei in Lauf an der Pegnitz: in einer Teilzeitstelle kann ich gemeinsam mit einer Kollegin die PR und vor allem das bekannte Literaturfest Literaturtage Lauf organisieren.

Dann erhalte ich eine Anfrage der Stiftung Warentest, Porträts für einen Ratgeber für Angehörige von demenzkranken Menschen zu verfassen. Und dann, in meinem neuen Leben, die Anfrage des eingangs erwähnten Verlages, einen Reiseführer für Nürnberg und Umgebung zu verfassen. Was für ein schöner Auftrag! Ich recherchiere, suche und finde. 101 Orte aus den Bereichen Genuss, Natur, Kultur, Handwerk und Kreatives sowie Zukunftsfähiges vereine ich in diesem Buch, für das ich etwa fünf Monate Zeit habe.

 

Biografisches Schreiben lernen

Mein Schreiben brachte mich zum eigenen Buch – 2020 veröffentlichte ich einen Reiseführer zu Nürnberg und Umgebung (Foto: Susanne Weigel)

Weil ich aber auch gerne korrigiere und lektoriere, dafür auch die eine oder andere Anfrage erhalte, bilde ich mich auch darin weiter. Nach den tollen Seminaren der Akademie der Deutschen Medien München halte ich das Zertifikat als Freie Lektorin ADM in den Händen. Immer wieder darf ich zum Beispiel Texte für ein Südtiroler Hotelbaumagazin korrigieren.  Das ist das Schöne an dieser Arbeit, dass man sich immer wieder neu entdeckt, Bereiche kennenlernt, von denen man nicht einmal wusste, dass es sie gibt! Außerdem korrigiere ich die Programmhefte des Philharmonischen Chores Nürnberg, bei dem ich seit vielen Jahren begeistert singe (Sopran, ganz hohes C… ;-))

Biografisches Schreiben lernen – vom Schreiben zum Lehren

Die Zeit der Pandemie und meine private Lebensveränderung bringen mich 2019 dazu, mich beruflich noch einmal neu zu sortieren. Auftraggeber fallen weg und ich möchte mein eigenes Ding machen. Da ich schon immer gerne über, für und mit Menschen schreibe und zu tun habe, diverse Kurse in kreativem, biografischen Schreiben und Journaling besucht habe und nun auch am eigenen Leben spüren konnte, wie sehr einem das Schreiben helfen kann, entsteht die Idee, Kurse in biografischem Schreiben zu geben.

Daneben war und bin ich nun wieder tätig als Seniorenbegleiterin. Ich unterstütze alte Menschen zu Hause bei der Körperpflege und im Haushalt und beschäftige mich vor allem mit ihnen. Das mit ihnen sprechen, spazierengehen, vorlesen ist aktive Biografiearbeit. Dabei gelingt es mir immer, sie mit Neugier, Offenheit und Wertschätzung für sich selbst fröhlicher nach meinem Besuch zu verlassen, als ich sie vorgefunden habe.

Ich mache eine Weiterbildung zur Biografieberaterin beim Verein LebensMutig e.V., verschlinge Schreibratgeber, besuche das Journalingcamp in Hamburg. Schließlich erhalte ich über eine Freundin einen wunderbaren Auftrag, eine private Biografie zu lektorieren. Sie spielt auch noch in meiner alten Heimat Thüringen. Sowohl der Auftraggeber als auch ich lernen eine Menge. Ich bespiele wenn auch mit Pausen meinen Instagram-Account , setze Newsletter-Automationen auf, bespiele meine Website, bastele eine Landingpage für meinen Adventskalender mit schönen Schreibaufgaben und vieles mehr.

Ich lerne die Welt des writersstudios in Wien kennen, die den amerikanischen Ansatz des creative writing in den deutschsprachigen Raum gebracht haben. Natürlich musste ich dort unbedingt ein Live-Writing-Seminar besuchen. Sommertage in Wien, mit Wein und Lesung am Abend, Besuch des Schosses Schönbrunn und des Museums über Sigmund und Anna Freud. Voller wunderbarer Erlebnisse und Schreibinspirationen kam ich zurück nach Hause.

Meinen Schreibworkshop, den ich online als Abschluss zur Biografieberaterin zum Thema Genuss gehalten habe und auch die Schreibsession, die ich im Frühjahr 2025 beim Barcamp der Blogger*innen bei Judith Peters in Stuttgart vor Ort gehalten habe, bestärken mich. Die Frauen und wenigen Männer geben mir durchweg positive Rückmeldungen, dass sie Neues erfahren, einen warmen Zusammenhalt in der Gruppe (das ist mir immer super wichtig!) erlebt und von ihren eigenen Schreiberfahrungen inspiriert und ermutigt sind.

Außerdem beschäftige ich mich intensiv mit feministischem Wissen. Denn als Frau, Mutter, Partnerin, Tochter, Arbeitnehmerin und Selbstständige erlebe ich die Folgen des Patriarchats ja täglich selber. Dabei gilt es, die strukturellen Ungerechtigkeiten zu erkennen und zu würdigen und zugleich nicht in einer Opferrolle zu bleiben, sondern danach zu suchen, wie ich mein Leben selbstbestimmt und lebensfroh leben kann. Warum und wie ich feministisches Wissen und Handeln so wichtig finde und wie ich das versuche, kannst du in diesem Artikel von mir nachlesen.

Es ist nun einmal Fakt, dass wir historisch und weltweit noch immer massiv benachteiligt werden. Ich sehe es an der Biografie meiner Vor-Mütter, also meinen Großmüttern und meiner Mutter. Ich sehe es bei Frauen in meinem Umfeld. Erst neulich ist mir durch Gespräche wieder bewusst geworden, dass es fast keine Frau gibt, die nicht schon in irgend einer Form sexuelle oder andere Gewalt erfahren hat. Dazu gehört auch psychische Gewalt, finanzielle Gewalt, strukturelle Gewalt …

Da die Arbeit von Frauen zum Beispiel auch in Wissenschaft und Kunst jahrhunderte lang von Männern kleingehalten wurde – Geschichte wurde ja auch von Männern geschrieben – möchte ich konkret Dichterinnen und Schriftstellerinnen recherchieren und bekannter machen. Deshalb baue ich in meine Angebote Texte und ein wenig Infos über diese Künstlerinnen mit ein.

Was ich unbedingt vermitteln möchte sind vor allem wertvolle Informationen zu den Mechanismen weiblicher Lebensläufen, feministisches Wissen, Lebensfreude und Ermutigung. Meine Stärke ist es, einen warmherzigen Raum zu schaffen mit Tiefe, Neugier, echter Begegnung und aufrichtigem Interesse. Mit Wertschätzung, Vielfalt und Respekt. So dass jede Person ermutigt und inspiriert mit mehr Lebensfreude aus einem Schreibworkshop herausgeht und tatkräftig ihr Leben angeht. Oder mit Ruhe und innerem Leuchten auf ihr Leben blickt. Und schreiben kann jede, die einen Stift halten und lesen und schreiben gelernt hat. Mehr braucht es nicht.

Es geht in erster Linie noch nicht darum, einen literarisch hochwertigen Satz zu verfassen. Das KANN sich später ergeben. Es geht darum, überhaupt ins Schreiben zu kommen. Schreiben entwickelt sich durchs Schreiben. Das Tun ist es, was uns weiterbringt. Ein Satz ergibt den nächsten. Dabei machen wir so oft Entdeckungen. Entdeckungen über uns selbst, über unsere Kreativität, die dann wächst und wozu wir alles in der Lage sind. Das macht stolz. Das ist erfüllend.

Schreiben, Fühlen, Leben

In meinem Leben war und ist das Schreiben ein zentraler Anker. Wenn ich mich an meinen Schreibtisch setze, kann ich ICH sein. Oder mit dem Stift in eines meiner Notizbücher schreibe, dann bin ich ehrlich bei mir. Mein Schreiben hat mich so viele Menschen, Orte und Stationen kennenlernen lassen. Mich entwickeln und wachsen lassen. Beruflich und persönlich. Mich auch mal geärgert, wenn ich nach dem passenden Zugriff aufs Thema gesucht, den falschen Schwerpunkt gewählt oder überhaupt sehr lange für den Text gebraucht habe.

Ich habe durch meine Texte Freude, Anerkennung und Einkommen gehabt. Anderen Menschen habe ich damit informieren, erstaunen, erfreuen und berühren können. Das ist ein schönes Gefühl. Kürzlich habe ich einen großen, aufwändigen und in mehrfacher Hinsicht erkenntnisreichen journalistischen Auftrag abgeschlossen. Wohin mich das Schreiben noch führen wird, weiß ich nicht. Vorrangig möchte ich in Schreibkursen Frauen ermutigen, bestärken, für sich selbst begeistern und ihnen ein Leuchten ins Gesicht zaubern. Allerdings bin ich ein sehr neugieriger und aufgeschlossener Mensch. Falls also verlockende Anfragen und Gelegenheiten für journalistische Texte oder Lektorate am Wegesrand auftauchen, dann kann es sein, dass mich mein Schreiben wieder mehr in die journalistische Richtung führt.

Auf jeden Fall aber möchte ich mich auf den Weg machen, einen biografisch gefärbten Roman zu schreiben. Von Jugend an habe ich den Drang, über meine Mutter und ihre Herkunft zwischen Kino und Autozentrale im Mansfelder Land zu schreiben. Ich möchte gerne am Beispiel meiner Vor-Mütter weibliche Lebensläufe sichtbar, fühlbar machen und dabei auch der Landschaft am Fuße des Kyffhäuser eine Textheimat verschaffen. Vorbild sind mir dabei u.a. der Roman Hannas Töchter der schwedischen Autorin Marianne Fredriksson und die Suche der südtiroler Autorin Christine Vescoli nach der kaum fassbaren Identität der Mutter mit ihrem Roman Mutternichts.

Ob ich diese Herausforderung schaffe, kann ich überhaupt nicht sagen. Denn immer wieder kommt das Leben dazwischen: Geldverdienen, sich um nahe stehende Menschen kümmern, die eigene Gesundheit pflegen, Schuhe putzen, die Steuererklärung, feiern gehen oder einfach mal auf dem Sofa lümmeln und nur dumm gucken.

Immerhin habe ich schon etliche Seiten über mein Leben geschrieben und Material zu meinen Vorfahren gesammelt. Meine alten Tagebücher und Briefe aus den Wendejahren 1989 bis in die 1990er an meine Eltern und Freundinnen existieren ja auch noch.

Und wenn auch du mehr über deine Herkunft, dein Aufwachsen und heutiges Leben schreiben willst, dann geht es hier zu meinem Selbstlernkurs Biografisches Schreiben für Frauen. Schreib mir doch gerne in die Kommentare über deinen Weg des Schreibens.

Ich grüße dich, liebe Leserin, ganz herzlich aus dem schönen Franken!

Deine Susanne

4 Kommentare

  1. Ach ja, die Wege des Schreibens sind einfach verschlungen wie die Schrift selbst. Vielen Dank für dein Teilhabenlassen auf den gradlinigen und ungradlinigen Wegen deines Schreibens!

    Antworten
    • Liebe Natalie,
      hab herzlichen Dank für deinen Kommentar zum Artikel. Ja Leben und Schreiben… Das Leben schreibt sich in den Texten fort.
      Ganz liebe Grüße,
      Susanne

      Antworten
  2. Wow, das ist wirklich beachtlich, wohin dich dein Schreiben schon gebracht hat, liebe Susanne! Vom writersstudio in Wien habe ich schon viel gehört. Wie gut, dass du das biografische Schreiben nun auch als Dozentin in deinem Kurs weitergibst. Eine schöne Entwicklung. Viel Freude und Erfolg weiterhin beim Schreiben.
    Herzliche Grüße
    Kerstin

    Antworten
    • Liebe Kerstin,
      vielen lieben Dank für dein Feedback! Ja ich freue mich und staune auch immer wieder. Das writersstudio ist richtig toll, jedenfalls habe ich letzten Sommer dort ein richtiges Seminar mit Anna Ladurner erleben dürfen. Ich wünsche Dir auch weiter viel Schreibfreude und -erfolg bei Mensch und Text!
      Herzliche Grüße
      Susanne

      Antworten

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